WIENER STAATSOPER: DIE FRAU OHNE SCHATTEN ( 20.März 2012)
Der neue musikalische „Chef der Staatsoper, Franz Welser-Möst, hat offenbar seine Probleme mit der Partitur der „Frau ohne Schatten“ , die er als Aufforderung zu monumentalen Klangorgien versteht. Doch damit erreicht man vor allem im 2. und 3.Akt nur einen permanenten akustischen Überdruck. Die Stärken dieses Werkes liegen jedoch in den vielen geradezu kammermusikalischen Stellen, wenn das Cello oder die Solo-Violine den Geist von Keikobad beschwört, wenn die Quelle des Lebens sprudelt, der Falke klagt oder die Stimmen der Ungeborenen erklingen. Der Wechsel zwischen der großen Operntheatralik und der geradezu intimen „Innenschau“ macht den Reiz dieser einzigen der Opern von Strauss-Hofmannsthal aus, die in Wien uraufgeführt wurde.
Voraussetzung für Erfolg oder Misserfolg dieser Oper ist aber eine festspielwürdige Besetzung, die derzeit im Haus am Ring weitgehend geboten wird. Adrianne Pieczonka ist eine großartige Kaiserin – die Stimme klingt „golden“, sie verfügt über die nötige Kraft auch für die vielen Tonsprünge (Vater hervor!); agiert wortdeutlich und bewältigt sowohl die Schlafgemach-Szene (mit dem Alptraum) ebenso mühelos wie das große Quartett im Finale (mit den zwei hohen C’s). Gleichwertig mit dieser idealen neuen Kaiserin, die auf den Spuren einer Leonie Rysanek wandelt, ist Wolfgang Koch als Barak. Sein Vorbild dürfte ein Bernd Weikl gewesen sein. Und so bietet er menschliche Wärme und Belcanto-Schöngesang und hat als künftiger Bayreuther Wotan auch die Kraft für das Finale („Nun will ich jubeln!“). Einmal mehr legt Evelyn Herlitzius die Färberin als hochdramatische „Rächerin“ an und nimmt sich offenbar Birgit Nilsson zum Vorbild, ohne an ihr Vorbild wirklich heranzukommen. Sie wirkt deshalb oft überzogen und das Mitleid der Kaiserin bleibt unverständlich. Robert Dean Smith ist ein sympathischer Kaiser, der nur mit den Spitzentönen seine liebe Not hat, aber insgesamt überzeugt er doch einigermaßen. Schwach ist in dem Quintett der Hauptdarsteller nur Birgit Remmert als Amme. Sie kann mit ihrer Durchschnittsstimme einfach mit den Kolleginnen und Kollegen nicht mithalten und auch die Psychoanalyse-Inszenierung von Robert Carsen und Michael Levine unterstreicht die biedere Wirkung der deutschen Mezzosopranistin.
In den vielen kleinen Rollen wird das gesamte Ensemble eingesetzt, hervorzuheben sind Chen Reiss als Falke und Hüter der Schwelle, Norbert Ernst als Jüngling (samt nacktem Double) sowie Zoryana Kushpler als Stimme von oben. Adam Plachetka singt den Einäugigen – und das allein zeigt: man nimmt die Frau ohne Schatten ernst! Und die Inszenierung verfügt über eine innere Logik, die sich leider in der stillosen Schluss-Szene eines riesigen Turnsaals zuletzt verliert.
Peter Dusek