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WIEN / Staatsoper: DIE FLEDERMAUS

01.01.2015 | Operette/Musical


WIEN / Staatsoper:
DIE FLEDERMAUS von Johann Strauß
31. Dezember 2014
153. Aufführung in dieser Inszenierung

Alle Jahre wieder… und das kann nicht immer automatisch optimal ausfallen. Keine Frage, dass alle sich Mühe gegeben haben, aber mit Mühe erzeugt man keine Stimmung. Es war nicht gerade die beschwingteste „Fledermaus“, mit der man das Jahr 2014 verabschiedete. Will man Patrick Lange dafür verantwortlich machen, der das Werk immerhin schon ganz erfolgreich an der Staatsoper dirigiert hat? Diesmal begann er ziemlich martialisch, und man wurde den ganzen Abend das Gefühl nicht los, dass man Johann Strauß bei uns gern sinnlicher, schmelzender, lockerer hört. Wenn dann allerdings im zweiten Akt die Polka „Unter Donner und Blitz“ erklingt, dann mag man es natürlich in diesem Fall so straff und präzise, das gehört zum Genre.

Im übrigen – nicht immer funktionierte der Zusammenhalt zwischen Sängern und Orchester fugenlos. Wobei man in diesem Fall nicht glauben möchte, dass Frosch mit dem einzigen neuen Witz des Abends recht hatte: Er meinte nämlich in Hinblick auf die Philharmoniker „da unten“, sie seien wohl Schicksalsgenossen, er habe auch manchmal im Graben geschlafen. Au!

Es gab neue Besetzungen, die an diesem Abend interessierten. Adrian Eröd, lange der Dr. Falke vom Dienst, hat den Eisenstein schon mehrfach anderswo ausprobiert. Nun spielte und sang er ihn erstmals an seinem Stammhaus, und das gelang vorzüglich. Nicht nur, dass er ein witziger, hintergründiger Darsteller ist (und sich den Kopfstand, der eigentlich wie ein Handstand aussah, nicht nehmen ließ), auch gesanglich agierte er mit „voller Power“, er mag optisch schmal wirken, stimmlich ist er es nicht. Und anerkennen wir gleich, wie sehr Clemens Unterreiner als Dr. Falke hier – ebenfalls stimmlich wie darstellerisch – auf Augenhöhe mit ihm agierte, volle Pulle, aber nicht penetrant. Und jedenfalls einer, der sicherlich auch in absehbarer Zeit einmal ein Eisenstein sein kann.

Neu und besonders interessant war es, Juliane Banse, die man in Wien ohnedies selten hört und bisher nur in Opernrollen erlebt hat, nun als Rosalinde zu begegnen. Sie ist nicht nur die hübscheste, am jüngsten wirkende Interpretin der Rolle, an die man sich seit langem erinnert, ihre Darstellung sprüht von ausgefeilter Komik, und dass sie das „Ungooorisch“ nicht ganz korrekt hinbekommt, ist ein geringfügiger Einwand gegen diese köstliche Rosalinden-Erscheinung, die in ihrer Schlankheit auch ideal zu Eröd passt.

Leider war der stimmliche Eindruck nicht annähernd ähnlich positiv. Sie muss durch ihre jüngsten dramatischen Rollen die Stimme doch einigermaßen geschädigt haben, ein gewisses „blechernes“ Echo ist in jeder Lage dabei und wird in der Höhe geradezu unangenehm. Dass Operette auch Belcanto ganz eigener Art ist, vermochte sie an diesem Abend nicht zu vermitteln. Wobei man natürlich nie weiß, wie sehr Sänger angesichts der momentanen Wetterschwankungen und Kälteeinbrüche vielleicht angeschlagen auf die Bühne gehen.

Elisabeh Kulman ist wieder da – auch davon wollte man sich an diesem Abend überzeugen. Sie hat schon Konzerte gesungen, aber nun steht sie nach ihrer Generalpause wieder auf der Staatsopernbühne und ist ein prächtiger Prinz Orlofsky wie eh und je (wenn die Höhen auch noch sopraniger zu wirken scheinen als früher). Optisch ließ sich ihr Prinz unübersehbar von Conchita Wurst inspirieren, sei’s drum, Geschmackssache oder Sache des Geschmacks, das ist jedenfalls sekundär.

Daniela Fally hat die Adele im kleinen Finger, weiß um jede Nuance, jede Pointe, singt sie verlässlich, wenn auch nicht perlend locker und brillant, aber wahrscheinlich täte man sich schwer, derzeit ein besseres Stubenmädchen zu finden. So wie auch Alfred Šramek wahrscheinlich in alle Ewigkeit unser liebster Gefängnisdirektor Frank bleiben wird, immer bemüht, irgendwelche neuen Pointen zu setzen (er sei zu spät, sagte er, man habe ja keine Ahnung, was auf der Kärntnerstraße los sei… nach der Vorstellung hat man es selbst erlebt). Peter Jelosits genießt den Doktor Stotterbock, Annika Gerhards war erstmals die Ida, allerdings ohne besondere Kennzeichen.

Nicht ganz seines Urteils sicher ist man über Norbert Ernst als Alfred, zweifellos eine parodistische Rolle, die doch am schönsten ist, wenn der Tenor nicht eine Karikatur eines Tenors kräht, sondern nebenbei wie ein Gott singt (aber wer tut einem schon den Gefallen?). Nun, komisch ist Norbert Ernst jedenfalls.

Es war auffallend, wie viele Plätze doch nach dem 2. Akt frei blieben. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass der Frosch von Peter Simonischek nicht unbedingt ein Muss-Erlebnis ist, im Gegenteil: Er versucht zwar, seine Besoffenheits-Studie auch süffig zu machen, aber von der Persönlichkeit ist er (wie übrigens auch Cornelius Obonya) sicher nicht der geborene Schmähführer. Mühsam schleppt man sich bei ihm von einem alten G’spaß zum nächsten. Auch wenn man Witze zum anderen Meyer hinüber in die Volksoper schießt, der niemanden braucht, weil er alles selbst spielt: Als Frosch wäre er jedenfalls bei der Konkurrenz hochwillkommen. Vielleicht sollte man sich langsam nach einer stimmigeren Besetzung umsehen.

Im Rahmen der immer noch effektvollen, immer wirklich exzellent einstudierten Schenk-Inszenierung gibt es im zweiten Akt einen „Überraschungsgast“, der diesmal keiner war, denn er war angekündigt. Man hatte Piotr Beczala ja bei der Hand, er ist derzeit der „Rigoletto“-Herzog, und er kam zuerst mit der „Di tu se fedele“.Arie des Riccardo aus dem „Maskenball“, eine Rolle, die er bald in Wien singen wird. Er war geradezu prächtig bei Stimme und hat sich bei Pavarotti mehr abgeschaut als den weißen Schal, nämlich genau zugehört, wie man dergleichen singt. Allerdings hätte man gerade diese Arie, die eher schwierig als vordergründig effektvoll ist, beim Fest des Prinzen Orlofsky nicht unbedingt erwartet, und so überraschte es nicht, als er nach „etwas Deutschem“ gefragt wurde – was dann nicht der Lohengrin wurde, sondern das, womit Beczala reist und auch viel Erfolg hat, nämlich das Richard Tauber-Repertoire. Und besser als mit „Dein ist mein ganzes Herz“ hätte er es nicht treffen können – in tenoraler Verschwender-Laune und vom Publikum gefeiert. Zu Recht.

Am Ende, wenn dann alle Prosit Neujahr ins Publikum wünschen, ist ohnedies jeder happy. Und wer der „Fledermaus“ langsam ein bisschen müde wird – der soll halt am nächsten Silvester etwas anderes unternehmen (was sich in diesem Fall der Kritiker ins Merkbuch schreibt).

Renate Wagner

 

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