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WIEN/ Staatsoper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER / Der wobbelnde Holländer

02.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Der wobbelnde Holländer – Wiener Staatsoper, 2.5.2013

 Würde ich nach dem Motto „If you can’t say anything real nice, then better not talk about – that’s my advice“ vorgehen, dann bliebe mir, was den Sänger der Titelpartie angeht, nur zu schreiben, dass Juha Uusitalo als Darsteller und Sänger des Holländers aufgeboten war. Ende.

 So einfach ist es aber nun doch nicht, die Leser haben das Recht zu erfahren, dass die Leistung, die der Finne abgeliefert hat, wirklich schlimm war. Eine fahle Stimme, hörbare Höhenprobleme und ein sich durch den ganzen Abend ziehendes „Wobble“. Man kann nur hoffen, dass Uusitalo einen pechrabenschwarzen Abend erwischt hatte – in diesem Zustand hat der gute Mann auf der Bühne der Wiener Staatsoper (und eigentlich auch auf anderen Bühnen) nichts verloren. Und wenn er krank war, dann hätte er sich ansagen lassen müssen.

In dieser Hinsicht war aber das Publikum fair – nach den Ovationen, die es den SängerInnen des Steuermannes, des Erik und der Senta zukommen lassen hatte, ebbte der Applaus extrem ab, doch es gab keine Buh-Rufe. Das war der Leistung entsprechend und dem Sänger gegenüber fair.

 Ansonsten gibt es von dieser Aufführung fast nur Positives zu berichten. Daniel Harding debütierte (endlich) am Haus. Obwohl der Engländer erst Mitte dreißig ist hat man das Gefühl, dass er schon ewig im Geschäft ist. Nicht immer war man mit seinen Interpretationen einverstanden, doch sein erster Auftritt am Ring wurde zu einem großen persönlichen Erfolg für den Briten. Das gut disponierte Staatsopernorchester wirkte sehr animiert (gegen Ende des Abends zeigten die Hörner ein paar Ermüdungserscheinungen) und folgte Hardings packender Interpretation. Er ließ es „scheppern“, wenn es notwendig war, vergaß aber nicht, auch das teilweiser Walzerhafte der Partitur herauszuarbeiten. Er unterstützte die Sänger sehr und zeigte sehr oft Einsehen mit Uusitalo, in dem er ihn bei heiklen Stellen ein wenig zudeckte.

 Eine tolle Entwicklung hat die Karriere von Stephen Gould genommen, seitdem er vor nun schon neun Jahren als Paul sein Hausdebüt gegeben hat. Er ist nun einer der führenden Wagnertenöre – und auch gestern bewies er seinen aktuellen Status. Er hat ein strahlendes Timbre, eine gute, ausgewogene Mittellage und schier unendliche Kraft. Dazu kommt noch, dass der Erik eine seiner überzeugendsten Rollen darstellt und er dieser auch schauspielerisch viel Energie einhaucht. Da Gould quasi der „Haus-Erik“ ist fehlen die Vergleiche, aber es ist schwer vorstellbar, dass es zur Zeit sehr viel eindrucksvollere Darsteller in dieser Rolle gibt.

 Stephen Milling beeindruckte besonders durch seine Persönlichkeit und Ausstrahlung, er konnte der Figur des Daland sogar ein paar heitere Seiten abgewinnen. Nach einem etwas durchwachsenen Beginn steigerte er sich hörbar und wurde schlussendlich auch gefeiert.

 Ein hervorragendes Rollendebüt an der Staatsoper gab Benjamin Bruns als Steuermann. Es ist schön mitzuerleben, wie sehr sich Bruns gesteigert hat, seit dem er hier im Ensemble tätig ist. Er hat eine sauber geführte Stimme mit beginnenden metallischen Klängen, ein gutes Volumen und ist nicht nur in Mozart-Rollen, sondern jetzt auch schon bei Wagner eine Stütze der Vorstellungen. Mit ihm hat die Direktion eine wirklich gute Wahl getroffen.

 Monika Bohinec fiel weder positiv noch negativ auf, ihre Interpretation der Mary war absolut korrekt und entsprach dem guten Niveau der Vorstellung.

 Sehr beeindruckend gestaltete sich das Rollendebüt als Senta von Anja Kampe. Ihre stimmlichen Fähigkeiten schienen quasi endlos – sie hat ein tolles Volumen, sichere, fast gänzlich unscharfe Höhen ohne das geringste Vibrato. Dazu stellte sie eine sehr weibliche Senta da, die gar nicht so das schwärmerische junge Ding ist, sondern sehr wohl eine junge Frau, die ganz genau weiß, wen sie will und wen sie nicht will. In der gemeinsamen Szene mit Uusitalo sang sie ihren Partner schlicht und ergreifend von der Bühne – das war wirklich bitter mit anzuhören und ich hatte tatsächlich Mitleid mit dem Sänger.

 Der Staatsopernchor wurde von Thomas Lang hervorragend vorbereitet und leistete seinen Teil zur nun schon 49. Aufführung der Inszenierung von Christine Mielitz, die sehr konventionell ist, aber die Stärken und Schwächen der Regisseurin hervorhebt. Einerseits wirklich gelungene Massenszenen, dann aber absolut entbehrliche Dinge wie die Massenvergewaltigung nach überhöhtem Bierkonsum und die Selbstverbrennung der Senta.

 Es war ein gelungener Abend, der musikalisch viel hergab. Schade, dass der Sänger der Titelpartie eine wirklich schwache Leistung ablieferte – und dass das Publikum wieder in den Schluss der Oper reinapplaudierte.

 Kurt Vlach

 

 

 

 

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