Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Staatsoper: CARMEN oder die „MACHT DES SCHICKSALS“

10.09.2018 | Oper


Marcelo Alvarez (Don José). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/ Staatsoper: CARMEN oder die „MACHT DES SCHICKSALS“ (9.9.2018)

An die unbarmherzige Wucht des Schicksals und nicht an die Seelenanalyse einer attraktiven Frau namens Carmen musste man diesmal denken. Georges Bizet’s Hauptwerk, dessen Siegeszug von Wien aus er im Jahr 1875 nicht mehr erlebte, weil er kurz zuvor mit 39 Jahren starb, unterstrich diesmal den fast an ein antikes Drama gemahnenden Charakter des Werkes. Eine Repertoire-Vorstellung, die zunächst viele Wünsche offenließ, wandelte sich allmählich in eine ungewöhnliche Neudeutung: nach mäßigem Beginn zuletzt große Oper zum Saisonauftakt!

Am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper stand Fréderic Chaslin; er studierte in Paris und in Salzburg;  dirigiert in aller Welt und gehört längst in die rare Kategorie „Kapellmeister“. Die Inszenierung von  Franco Zeffirelli war schon bei der Premiere kein großer Wurf, nun wirkt sie verstaubt und schlecht ausgeleuchtet; die Chorszene zu Beginn vermittelt den Eindruck, zu wenig geprobt (Leitung des Staatsopernchores Thomas Lang) zu sein, Morales – Orhan Yildiz – gehörte in die Kategorie „Oper light“.

Und dann trat Carmencita auf: die Französin Clementine Morgaine hat zwar eine große Stimme; das Spiel wirkt  jedoch antiquiert, die Töne – vor allem in der Mittellage – werden „angeschliffen“. So stellt man sich keine moderne, emanzipierte Frau vor. Doch ab dem 2.Akt zieht sie die Neugier auf sich. Hier kämpft eine Sängerin gegen die üblichen Klischees an. Und sie stürzt sich auf einen Don Jose, der ebenfalls eine vokale Anlaufzeit benötigt: Marcelo Alvarez: schlank und mit Bart, wird erst im 3. und 4.Akt zur Höchstform anlaufen.  Der argentinische Sänger stößt mit dem Don Jose zweifellos an seine Fachgrenzen, aber im Großen Schluss-Duett geht sein Totaleinsatz wahrlich unter die Haut! Zuvor bringt Escamillo – Erwin Schrott – das Publikum in echte Stimmung. Ab dem Auftritts-Lied des aus Uruguay stammenden Toreros kochen die Emotionen hoch. Und mit der Lage dieser Rolle, die den meisten zu hoch oder zu tief ist, hat er keine Probleme.

Und dennoch schafft es Anita Hartig als Michaela, den  maximalen Applaus der Vorstellung zu „ergattern“. Ein Umstand, den man schon in vielen Carmen-Vorstellungen beobachten konnte. Die Gegenspielerin von Carmen singt 1 Duett und 1 Arie und holt sich sehr oft den „Löwenanteil“ in punkto Applaus.

Sehr anständig die restlichen „kleinen Rollen“, die gerade in der Bizet-Oper sehr viel zu singen haben: Carlos Osuna als Remendado und Manuel Walser als Dancairo sind sympathisch, musikalisch und passen gut zueinander. Und das Gleiche gilt auch für Frasquita – Ileana Tonca – und Mercedes – Margret Plummer. Die beiden versprühen gute Laune und Lebenslust und das Finale des 2.Aktes lebt von der brillanten Höhe von Ileana  Tonca. Glaubwürdig als  erotisch aufgeheizter „Polterer“ Soran Coliban.

Alles in allem: Carmen neu fast in der Nähe einer griechischen Tragödie!

Peter Dusek

 

Diese Seite drucken