WIENER STAATSOPER: Georges Bizet CARMEN am 23. Mai 2013
Roberto Alagna, Elina Garanca. Foto: Pöhn/Wiener Staatsoper
Sie wurde groß als Sensation angekündigt und nun hat sich endlich auch dem Wiener Opernpublikum als Carmen vorgestellt: Elina Garanca. Rein gesanglich war sie eine souveräne Carmen. Da saß wirklich jeder Ton, auch wenn ihr Mezzo zu hell für die Rolle ist, ihr es zwar nicht an Volumen aber sehr wohl doch an den nötigen Tiefen und auch vokaler Differenzierung mangelte.
Leider war sie vom Spiel und der Persönlichkeit her so gar keine Carmen. Die Habanera sang sie viel zu brav, die Seguidilla viel zu kontrolliert.
Dass man Garanca als Blondine auf die Bühne schickte, war schon etwas gewöhnungsbedürftig, ist aber bei einer Carmen in letzter Zeit nichts Ungewöhnliches mehr. Das eigentliche Problem war, dass sie so gar nichts an Erotik und Leidenschaft erkennen ließ, die diesen berühmten Operncharakter ausmacht. Garanca’s Carmen war von ernüchternder Kälte und warum sich Don José von dieser Frau so angezogen fühlte, bleibt ein Rätsel. Er hätte eigentlich Frostbeulen in ihrer Nähe bekommen müssen.
Diese Carmen war zu wenig lasziv in ihrer Erscheinung, und die Sängerin ließ es ihr auch deutlich an Temperament fehlen. Als Figur blieb Garanca erstaunlich blass.
Um bei den Damen zu bleiben: Anita Hartig war eine mit zu hartem Sopran agierende Micaela. Sehr gut in den Rollen der Zigeunerinnen präsentierten sich Juliette Mars als Mercedes und ganz besonders Ileana Tonca als Frasquita.
Als Gesamtpaket am Überzeugendsten war sicher Roberto Alagna als Don José. Auch wenn seine Stimme nicht über den tenoralen Schmelz verfügt, den man vielleicht hören möchte und er bei manchen Spitzentönen gar arg stemmen musste, begeisterte er nicht nur mit einer gut gesungenen Blumenarie, sondern ganz besonders auch mit seinem intensiven Spiel. Alagna war in jeder Szene glaubhaft, sei es als verliebter Sergeant oder am Ende als gebrochener und zu allem bereiter Don José. Das Schlußduett dominierte er ganz eindeutig.
Massimo Cavalletti hatte besonders in seiner Auftrittsarie große Mühe mit dem Escamillo. Seinem eher grob klingenden Bariton fehlte es an der nötigen Durchschlagskraft für diese stimmlich so anspruchsvolle Rolle. Dass ihm dann auch das Charisma und jedwede Bühnenpräsenz für den so heldenhaften Torero fehlten, machte die Sache nicht leichter.
Nikolay Borchev war ein mit nicht gerade schöner Stimme auffallender Morales, der Zuniga von Janusz Monarcha fiel eigentlich gar nicht auf. Da waren die Schmuggler schon überzeugender. Auch wenn das Timbre von Tae-Joong Yang nicht jedermanns Sache ist, machte er seine Sache gut. Einen schönen Tenor ließ Dimitrios Flemotomos in seinen wenigen Möglichkeiten als Remendado hören.
Zu Beginn hetzte Bertrand de Billy das wunderbar spielende Staatsopernorchester durch die Ouvertüre, dass man annehmen musste, der Dirigent möchte die Carmen so schnell wie möglich hinter sich bringen. Die dramatischeren Momente schien er dann doch mehr auskosten zu wollen, die lyrischen Stellen wurden nicht so deutlich betont.
Am Ende gab es zwar viel Jubel für die Hauptprotagonisten, doch nach ein paar Minuten war dann alles schon wieder vorbei. Und um auf die eingangs erwähnten angesagten Sensationen zurückzukommen – diese finden in der Regel nicht statt.
Lukas Link