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WIEN/Staatsoper: Camille Saint-Saëns SAMSON ET DALILA

Leidenschaft trifft auf kontrollierte Kühle

29.05.2018 | KRITIKEN, Oper

Intimitätsfördernde Badeausstattung für das berühmte Liebespaar: ALAGNA mit der kühlen Blonden GARANCA , Haarwäsche zur Premiere. (Foto:M.Pöhn-Wr.Staatsoper)

WIEN/Staatsoper

Camille Saint-Saëns   SAMSON ET DALILA
6.Aufführung der Neuproduktion in der Regie von Alexandra Liedtke
Am 28. Mai 2018         Von Manfred A. Schmid

 

Leidenschaft trifft auf kontrollierte Kühle

Über die hilflose Unzulänglichkeit der Regiearbeit von Alexandra Liedtke ist in den Besprechungen der bisher erfolgten fünf Aufführungen inklusive Premiere schon genug gesagt worden. So bleibt dem Rezensenten nur die Aufgabe, sich in der nunmehr sechsten Aufführung von Samson et Dalila auf die Suche nach dem inszenatorisch und ausstattungsmäßig Positiven zu begeben. Und man kann, mit etwas gutem Willen, tatsächlich fündig werden. Zum einen ist es das Fehlen einer Quietschente in der mit Wasser gefüllten Badewanne im zweiten Akt, das als Wohltat ins Treffen geführt werden kann; zum anderen der Umstand, dass diesmal die Juden nicht auf Koffern herumsitzen müssen, wie das ansonsten in ähnlichen Opernsituationen offenbar allgemein verbindliche Pflicht geworden ist.

Musikalisch hat sich dieser Opernabend erfreulicherweise aber weitaus ergiebiger präsentiert. Da ist zunächst einmal die tadellose Leistung des Staatsopernchores unter der Leitung von Thomas Lang hervorzuheben, der in diesem ursprünglich als Oratorium geplanten Werk naturgemäß eine wesentliche Rolle zu erfüllen hat. Erschütternd die verzweifelten Anrufungen Gottes angesichts der Versklavung durch die Philister sowie der Tadel und die Schuldzuweisungen, mit denen sie ihren Führer Samson nach seinem folgenschweren Sündenfall – seiner fatalen Liaison mit der raffinierten Dalila – überhäufen.

Dass Roberto Alagna sich als Samson auch hervorragend bewähren würde, weiß man spätestens seit seinem bisherigen Einsätzen. Ohne Rücksicht auf Verluste – und man könnte hinsichtlich Tonsicherheit in der Tat einige vermelden – stürzt er sich Hals über Kopf in diese Partie, voll Leidenschaft und Impetus. Und das Ergebnis rechtfertigt die Risikobereitschaft vollauf. Auch seine verstörende Gebrochenheit nach erfolgter Blendung und Demütigung ist ungemein berührend, ebenso das letzte verzweifelte Aufbäumen zum finalen Kraftakt.

Elina Garanca, die mit Roberto Alagna schon in New York als Carmen auf der Bühne stand, ist eine gesanglich betörende Verführerin. In ihrem Spiel aber bleibt sie merklich kontrolliert und zeigt sich als kühle, schöne Blonde. Es ist ja in der Tat auch so, dass sie die Liebesbeziehung zu Samson als Akt politischer Notwendigkeit versteht. Dass sie sich emotional schließlich aber dennoch mehr in diese Beziehung verstrickt, als ihr lieb ist, zeigt sie in der großartig gestalteten Arie Mon coeur s´ouvre a ta voix.

Als kühlen, stets um Kontrolle bemühten Machtpolitiker legt auch Carlos Alvarez seine Gestaltung der Partie des Oberpriesters an. Er, der von Samson schwer gedemütigt, nach Rache sinnt und dabei in Dalila eine ideale Erfüllungsgehilfin findet, spricht zwar wie diese stets vom Hass, der ihn und sein Tun und Denken bestimmt, aber dieser innere Hass wird nach außen kaum manifest, weder in seiner Mimik und Gestik, noch in seiner gepflegten baritonalen Gestaltung. Kontrollierte Perfidie erscheint hier als Wesenszug der Philister.

Sorin Coliban als Abimélech orgelt einen etwas brüchig tönenden Bassbariton, Dan Paul Dumitrescu ist ein unerbittlich auftretender Mahner, dessen eindringliche Warnungen von Samson allerdings nicht befolgt werden.

Das Staatsopernorchester unter der Leitung von Marco Armiliato bringt die trotz großer Besetzung fein instrumentierte Partitur zu prächtiger Entfaltung. Berückend und sich orgiastisch steigernd das hinreißende Bacchanale im letzten Akt. Am Schluss gab es begeisterten, einhelligen Applaus. Für das Musikalische völlig zu Recht.

Manfred A. Schmid – OnlineMERKER

 

 

 

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