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WIEN/ Staatsoper: BORIS GODUNOW

01.02.2014 | KRITIKEN, Oper

Boris Godunow Wiener Staatsoper, 31.1.2014


Rollendebüt als „Pimen“: Dan Paul Dumitrescu

Boris Godunow gehört zu den Werken, die man sich besser nicht anhören und ansehen sollte, wenn man deprimiert oder depressiv ist, ansonsten ist die Gefahr groß, dass man sich – nachdem man über zwei Stunden Klagen über das russische Jammertal gehört hat – etwas antut.

Die Wiener Staatsoper spielt die Urfassung der Oper, allerdings sind seit der Premierenserie zwei Bilder gestrichen worden – einerseits der Polenakt, andererseits das allerletzte Bild, wo der Gottesnarr die abschließenden Worte singt. Aus welchen Gründen man sich zu dieser Einsparung entschloss, das bleibt unbeantwortet. Konnte und wollte man die Marina Mnischek nicht aus dem Hausensemble besetzen und wurde da gespart?

 Die (Nicht)Inszenierung von Yannis Kokkos, dem man auch für die öden, grau in grau gehaltenen Bühnenbilder verantwortlich machen muss, ist ein stetes Ärgernis. Es wurde schon viel darüber geschrieben, daher nur so viel – eine Neuproduktion wäre da wirklich angebracht…

Zuallererst ein großes Lob an den von Thomas Lang einstudierten Chor der Wiener Staatsoper. Er erbrachte eine konzentrierte und sängerisch einwandfreie Leistung. Eingedenk der Tatsache, dass der Chor in dieser Oper eine weit größere Rolle als zumeist spielt, war diese Vorstellung ein wichtiger Baustein zum musikalischen Erfolg des Abends. Verstärkt wurde der Chor durch den Slowakischen Philharmonischen Chor. Auch die Kinder der Opernschule seien lobend erwähnt, die in einwandfreiem Russisch dem Gottesnarren seine Kopeke abluchsten.

Lag es an der Partitur, dass der Abend ein wenig zäh begann und erst im Laufe des dritten Bildes etwas an Tempo und Dichte gewann – oder brauchte Michael Güttler etwas Anlaufzeit, um das Staatsopernorchester zu animieren? Auf jeden Fall kann man diesem Klangkörper und dem Dirigenten keine außergewöhnliche, aber eine doch solide Leistung attestieren.

Gesanglich ist viel Gutes zu berichten. Naturgemäß beherrschte „unser“ Boris vom Dienst, Ferruccio Furlanetto, das Geschehen. Seit der Premierenserie, die ich seinerzeit öfters besuchte, hatte ich dieses Werk nicht mehr gesehen und musste zu meiner großen Freude feststellen, wie sehr der Italiener diese Rolle für sich weiterentwickelt hat. Er beherrscht den Zwiespalt zwischen dem liebenden Vater, den er belcanto-artig singt und dem Staatsmann und Auftragsgeber zum Mord, der mit seinen Selbstzweifeln kämpft und schlussendlich daran zu Grunde geht. Er ist kein „schwarzer“ Bass – vielleicht legt er dadurch die Rolle etwas hintergründiger an und erreicht dadurch sogar noch mehr Wirkung als jemand, der nur mit Kraft punkten kann. Diese Rolle wurde in den letzten Jahren wirklich zu DER Lebensrolle von Furlanettos Karriere. Es ist fast unvorstellbar, in Wien einen anderen Boris hören zu müssen.

Ein vielumjubeltes Rollendebüt gab Dan Paul Dumitrescu, dem man (endlich) in einer größere Rolle besetzte. Sein Pimen ist ein weiser, tief gläubiger Mönch, und das warme Timbre von Dumitrescu verlieh der Figur eine besondere Note. Mit seiner Stimme ist der Sänger ideal für Vaterfiguren und Mönche…

Die für mich ergreifendste Szene war die zwischen dem Boris und dem Gottesnarren, der von Pavel Kolgatin einfach großartig gesungen und besonders gespielt wurde. Ein vom Schicksal gebeutelter, der zum Opfer der „Maltchiki (kleinen Buben)“ wurde – und als einziger den Mut hat, dem Zaren das ins Gesicht zu sagen, was andere nur hinter dessen Rücken munkeln. Kolgatin war für mich die Entdeckung des Abends.

Der Schuiskij in der Interpretation von Norbert Ernst erschien mir viel präsenter als der von Silvasti in der Premierenserie. Ernst wird immer mehr zu einem Aushängeschild der Ensembles – aktuelle kann man nur sagen „The Sky is the Limit“ !!! Clemens Unterreiner bestach mit wohl tönendem Timbre und perfekter Technik als Schtschelkalow, während Janusz Monarcha als Warlaam wie schon zuletzt in der Tosca positiv überraschte.

 Marian Talaba sang den Grigori wie schon bei der Premiere und man wird den Eindruck nicht los, dass er sich in den vergangenen sieben Jahren kaum gesteigert hat. Es ist schade, dass anscheinend seine Karriere zur Zeit nicht wirklich voranschreitet.

 Zur Vollständigkeit noch die anderen Herren, die allesamt ihr Aufgaben ordentlich erfüllten – James Kryshak (Missail), Wolfgang Bankl (Hauptmann), Alexandru Moisiuc (Nikititsch), Oleg Zalytskiy (Leibbojar) und last but not least Marcus Pelz als Mitjuch.

Nachdem die einzig größere Frauenrolle gestrichen wurde, sind die Damen der Schöpfung nur in Nebenrollen vertreten. Aura Twarowska war die Schenkenwirtin, Margarita Gritskova sang die Hosenrolle des Fjodor, Ileana Tonca eine leicht hysterisch wirkende Xenia und Zoryana Kushpler war für die „Wurz’n“ der Amme eine Luxusbesetzung (zwischen einer Carmen und einer Lola eingeschoben).

Das Publikum zeigte sich zufrieden, Furlanetto wurde bejubelt, aber auch Dan Paul Dumitrescu dürfte sich über viel Zuspruch freuen.

 Kurt Vlach

 

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