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WIEN/ Staatsoper: ARMIDE – zweite Vorstellung der Premierenserie

20.10.2016 | Oper

WIENER STAATSOPER 19.10.2016 – „ARMIDE“

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Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

In neuerer Zeit ist Christoph Willibald Gluck in Büchern zur Geschichte der Oper mehr Platz gewidmet als in den Spielplänen der Opernhäuser. In den sechzig Jahren seit der Wiedereröffnung des Hauses ist dies auch erst die fünfte Produktion einer Gluck-Oper und die erste der Armide. Vor dieser Serie standen zuletzt Amalie Materna, die Kundry der Uraufführung und Ernest van Dyck in dieser Oper auf der Wiener Bühne. In der aktuellen Produktion sind diese beiden Partien mit Gästen aus Frankreich besetzt. Die Titelrolle wird von Gaelle Arquez mit einem prächtig klingendem Mezzo, der in allen Lagen perfekt trägt. Sowohl die dramatischen Ausbrüche, als auch die lyrischen Pianostellen gelingen perfekt. Die Sängerin ist hauptsächlich in Barockopern beschäftigt und hat die typisch vibratoarme, klare Stimmführung für dieses Genre. Ihr Renaud ist Stanislas de Barbeyrac. Der junge Franzose lässt einen metallisch klingenden, sicher geführten Tenor hören. Aber auch bei ihm ist die Fähigkeit, schöne und klangvolle Piani zu produzieren, stark ausgeprägt. Allein seine Schlussphrase „Trop malheureuse Armide! Que ton destin est déplorable“ mit einem herrlichen Diminuende ist den Abend wert.

Die restlichen Partien sind aus dem Ensemble besetzt. Hervorstechend ist dabei das neue Mitglied, der Norweger Bror Magnus Tødenes, der mit dem Artémidore und dem dänischen Ritter gleich zwei Partien singt und dabei nicht einmal das Kostüm wechseln muss, da die Ritter alle gleich gewandet sind und nicht „Farbe bekennen“. Auch Stephanie Houtzeel nutzt ihre große Szene als personifizierter Hass für eine eindrucksvolle Szene, während Paolo Rumetz sich an der Partie des blinden Königs Hidraot abmüht. Die beiden Vertauten der Armide, Phénice und Sidonie, werden von Olga Bezsmertna und Hila Fahima mit klaren Sopranen verkörpert.

Im Graben sind die Musicien du Louvre ein gediegenes Originalklangensemble, das in der deutlich tieferen Stimmung des 18.Jahrhunderts spielt und bei den Fagotten sogar vier- statt zweifach besetzt ist. Der Klang ist entsprechend der heute üblichen Auffassung rau und ruppig in den Streichern, aber von großer Innigkeit und Klangschönheit bei den Holzbläsern. Am Pult steht der Orchestergründer Marc Minkowski, der klar differenziert und durchsichtig musizieren lässt. Dramatik und Lyrik sind perfekt ausgewogen, an einigen Stellen wechseln die Flötisten auch ihre Plätze, um einen besseren Raumklang zu erzeugen. Als Chor steht wie auch in der Alceste der Gustav Mahler-Chor zur Verfügung. Sowenig er szenisch gefordert ist, so sauber erfüllt er die musikalischen Vorgaben.

Szenisch setzt die Inszenierung von Ivan Alexandre zum einen auf eine aufwendige Technik. Diese ist offenbar so aufwendig, dass der Einlass immer erst eine knappe halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn erfolgt. Wahrscheinlich müssen noch all die Drehungen der dreistöckigen Containersiedlung, die das Einheitsbühnenbild darstellt, durchprobiert werden. Der zweite Ansatz des Regisseurs ist weit gewagter. Nach seiner Auffassung ist Armide ein Mann, der sich als Frau verkleidet, um die Kreuzritter in eine Sexfalle zu locken. Die Begründung soll sein, dass für die Muslime zu dieser Zeit undenkbar war, dass eine Frau in eine Schlacht eingreift. Wahrscheinlich muss man aber nicht hinterfragen, ob es üblich war, Zauberinnen einzusetzen und ob Onkeln, auch wenn sie blind sind, einen Burschen einfach als Mädchen unterjubeln kann. Immerhin kann man dankbar zu Kenntnis nehmen, dass der Versuchung, ob des Schauplatzes Syrien zu plakativen Aktualisierungen zu greifen, widerstanden wurde.

Wolfgang Habermann

 

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