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WIEN/ Staatsoper: ARIODANTE – ein sehr erfreulicher Abend. Premiere

24.02.2018 | Allgemein, Oper


Christophe Dumaux. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

ARIODANTE – Premiere Staatsoper am 24.2.2018

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Sie gelten als die Ikone unter den Originalklangensembles, die „Les Arts Florissants“ unter ihrem Gründer und Chefdirigenten William Christie und sie sind zweifelsohne die besondere Attraktion dieser vierten Produktion des Barockzyklusses dieser Direktion. Nach Händels „Alcina“ und zwei Gluck-Opern nun also wieder Händel. Auch wenn der „Ariodante“ sicher ein ausgenommen attraktives Werk ist, so bleibe ich dabei, was ich schon anlässlich der Spielplanpräsentation gesagt habe, nämlich dass auch ein Monteverdi endlich wieder in den Spielplan gehört, entweder wieder die „Poppea“ oder zumindest der „Ulisse“.

Der Inhalt des „Ariodante“ basiert auf einer Nebenhandlung von Ariosts „Rolandslied“ (4.-6. Gesang), die von der Liebe des Adeligen Ariodante und der schottischen Königstochter Ginevra erzählt. Die Handlung folgt dem damaligen Zeitgeschmack, indem das Glück des Paares durch eine boshafte Intrige auf die Probe gestellt wird. Nach zahlreichen dramatischen Verwicklungen – Selbstmordversuch Ariodantes und Todesurteil für Ginevra – kommt aber die Wahrheit doch ans Licht und steht einem glücklichen Ende nichts im Wege.

Das Werk entstand unmittelbar vor der „Alcina“ und wurde drei Monate vor dieser ebenfalls im Jahr 1735 in London uraufgeführt. Die Musik ist voll von wunderbaren Melodien, nicht nur lyrischen sondern auch dramatisch auftrumpfenden. Auch sonst unterscheidet sich die Musik von anderen Werken durch die Verwendung von Chören und Tänzen, die nicht nur Einlagencharakter haben, sondern durchaus mit der Handlung verbunden sind. Besonders auffallend ist auch die Anzahl von vier Duetten und die Verwendung von Ariosi, die einen geglückter Gegensatz zu den sonst üblichen Da capo-Arien darstellen. Den schon erwähnten Tänzen wird ein besonderes Augenmerk gewidmet. Es gibt am Ende jedes Aktes einen und sind diese auf die damals berühmte Tanztruppe der Marie Sallé zurückzuführen.

Es war ein im gesamten gesehen sehr erfreulicher Abend. Das beginnt schon bei der Inszenierung. David McVicar inszeniert das Werk im Stil der Zeit der Uraufführung und es ist eine Freude, endlich einmal wieder zu erleben, dass die Schauplätze größtenteils dem Libretto entsprechen. Die Ausstattung stammt von Vicki Mortimer und es gibt kein Einheitsbühnenbild sondern wechselnde Szenenbilder, wobei die Verwandlungen durch Verwendung eines Zwischenvorhanges einen unterbrechungsfreien Ablauf der Handlung ermöglichen. Grundelement sind schön gestaltete Mauern, die unterschiedlich situiert die verschiedenen Schauplätze abbilden. Ergänzt werden diese durch einige Versatzstücke so wie das Öffnen des Hintergrundes, der dann den Blick auf das Meer freigibt. Erfreulich ist auch der Umstand, dass die Sänger nicht die heute bereits überdrüssigen grauen Anzüge, Coctail- und/oder Alltagskleider, sondern schlicht-elegante historisierende Gewänder tragen dürfen, die nur in den höfischen Szenen barockisierend sind. Die Personenführung ist klar strukturiert und logisch entwickelt. Mein einziger Einwand gilt den etwas exzessiv gestalteten Tänzen (Choreographie: Colm Seery). Nur am Rande sei erwähnt, dass auf die üblichen Accessoires des zeitaktuellen Theaters wie z.B. Krankenhausbetten oder Koffer verzichtet wird.

 Im Orchestergraben saßen diesmal – wie eingangs bereits erwähnt – „Les Arts Florissants“ unter William Christie. Ich bin an sich kein Freund der Originalklangensembles, aber an diesem Abend wurde ich angenehm überrascht. Dieses Orchester klang viel weicher als zletzt die „Musiciens du Louvre“ und kamen mit der Akustik des Hauses und vor allen Dingen mit dem hoch liegenden Orchestergraben viel besser zurecht. Außerdem investiert Christie wesentlich mehr Gefühl in die Interpretation als es szt. Minkovski tat, der extrem hart und kantig musizieren ließ. Der Gustav Mahler-Chor (Einstudierung Thomas Lang) – warum kann das eigentlich nicht der hauseigene Chor übernehmen – entledigte sich seiner nicht sehr großen Aufgabe zufriedenstellend, ebenso wie das Wr. Staatsballett, soweit ich Ballettmuffel das beurteilen kann.

Die Sänger waren im gesamten gesehen gut, wobei es zwei herausragende Leistungen gab. Da ist einmal Sarah Connolly in der Titelrolle, die über einen relativ hohen, aber wunderbar timbrierten Mezzo verfügt. Sie begann etwas vorsichtig, steigerte sich aber von Nummer zu Nummer, um mit der großen Szene vor dem Selbstmordversuch einen ersten Höhepunkt zu setzen. Im dritten Akt war sie dann ausgezeichnet und bewältigte diese schwierigen Passagen mit stupender Leichtigkeit. Sie phrasiert wunderbar und vermag auch durch ihre schlichte Darstellung zu überzeugen. Ein Wiedersehen in anderen Rollen ist durchaus wünschenswert.

Die zweite Spitzenleistung des Abends bot der Countertenor Christophe Dumaux als Polinesso. Ich habe ja mit den Countern so meine Probleme, aber was dieser Sänger an diesem Abend bot, war ausgezeichnet. Auch darstellerisch war er gut. Chen Reiss als Ginevra hatte an sich einen guten Abend. Die Passagen in der Mittellage sang sie sehr schön und einfühlend, in der Höhe ist jedoch eine gewisse Schärfe nicht zu überhören. Darstellerisch konnte sie gefallen. Etwas überfordert schien mir Hila Fahima als Dalinda. Die Rolle ist ihr einfach zu dramatisch, sodass sie gezwungen ist zu forcieren, was einerseits Ursache für manchen nicht schönen Ton ist und im Laufe des Abends zwangsläufig zu Ermüdungserscheinungen führt. Da half ihr auch die sehr intensive Darstellung nicht. Rainer Trost war ein ordentlicher singender Lucanio, der aber gestalterisch eher blass blieb. Der einzige wirkliche Schwachpunkt in der Besetzung war Wilhelm Schwinghammer als König. In der Höhe klang er eher hohl und die Tiefe war kaum vorhanden. Man fragte sich, was dieses Engagement soll und ob man die Rolle aus dem Ensemble nicht besser hätte besetzen können.

Am Ende abgestufter Jubel für Sänger und Dirigenten. Das Leading-Team wurde größten Teils auch bejubelt, von einigen „Fortschrittlichen“ aber auch ausgebuht, wobei diese allerdings deutlich in der Minderheit blieben.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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