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WIEN/Staatsoper ARIADNE AUF NAXOS von Strauss/Hofmannsthal

Ein Haushofmeister sorgt für Verwirrung - und ist längst Kult

14.09.2018 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Peter Matic, Haushofmeister in unkündbarer Stellung mit dem Nymphenterzett: Najade (Maria Nazarova), Dryade (Svetlina Stoyanova) und Echo (Olga Beszmertna).


WIEN/Staatsoper
ARIADNE AUF NAXOS von Strauss/Hofmannsthal

  1. September 2018  °  Von Manfred A. Schmid  °   Fotos © M.Pöhn-WSO

 

Ein Haushofmeister sorgt für Verwirrung – und ist längst Kult

 

„Musik ist eine heilige Kunst“, heißt es in der Oper, und die große Kunst ihrer Schöpfer Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss besteht darin, diese heilige Kunst mit dem Profan-Komischen, das  – wie der Komponist im Vorspiel befürchtet –  Bockssprüngen gleich in die Musik einbricht, zu vereinen. Den Anlass dazu liefert eine wahnwitzige Anweisung des Mäzens eines Theaterabends: Er lässt den verdutzten Künstlern kurz vor Beginn der Aufführung durch den Haushofmeister kühl und von oben herab ausrichten, dass die auf dem Programm stehenden Werke – eine ernste Oper und eine Komödie – nicht hintereinander, sondern gleichzeitig zu spielen seien. Trotz vehementer Proteste wird der Anweisung letztendlich Folge geleistet. Und die große Überraschung: Das geht durchaus – und sogar mit Gewinn! Dass dieser kurios-bizarre Mix funktioniert, ist dem kunstvoll gefertigtem Libretto und der reich gefächerten Musik zu verdanken. Und der ebenso noble wie arrogante Haushofmeister, ein erlesenes Gustostück von Peter Matic, ist längst zur Kultfigur avanciert.

Gegensatzpaare wie Trauerspiel (Oper) – Komödie (Theater), Treue bis in den Tod (Ariadne) – flatterhafte Unbeständigkeit (Zerbinetta), Erhabenes – Banales, Tiefgründiges – Oberflächliches werden simultan auf die Bühne gebracht. So verlieren sie ihre Polarität und gegenseitige Ausschließlichkeit. Aus dem Entweder-oder wird ein Sowohl-als-auch, und alles bleibt in zauberhafter Schwebe. Das macht den Reiz dieser Oper aus. Der Rosenkavalier mag das erfolgreichste Werk des kongenialen Duos Hofmannsthal/Strauss sein, Ariadne auf Naxos ist gewiss die kunstfertigste, geistreichste, raffinierteste und damit insgesamt auch künstlerisch bedeutendste Frucht ihrer einzigartigen Zusammenarbeit. In der Publikumsgunst steht sie freilich nicht so weit oben. Ariadne-Abende sind an der Wiener Staatsoper fast nie ausverkauft – und waren das nicht einmal bei der Premiere dieser Produktion vor sechs Jahren.

Hila Fahima, die vorzügliche Zerbinetta

Die brauchbare Inszenierung aus den Jahr 2012, im eleganten und praktikablen Bühnenbild von Rolf Glittenberg, gehört zu den besseren von Sven-Eric Bechtolf, denn nie gibt er den aus der Irre führenden Ariadne-Faden aus der Hand. Das zentrale Motiv der Vereinigung der Gegensätze wird vom Regisseur geschickt zunächst an zwei Personen festgemacht. Er lässt die sich anfangs abweisend gegenüberstehenden Kontrahenten – den ernsthaften Komponisten (Sophie Koch) und die sich frivol gebende Zerbinetta (Hila Fahima) – im weiteren Verlauf einander immer näherkommen. So wird letztere alsbald vom Komponisten höchstpersönlich am Klavier begleitet, und am Schluss sind beide gar ein Liebespaar. Sophie Koch, vor Beginn als nicht ganz auf der Höhe angekündigt, ließ sich ihre Beeinträchtigung erfreulicherweise kaum anmerken, sondern liefert eine glanzvolle, leidenschaftliche Interpretation ab. Hila Fahimas Zerbinetta, mit hellem, Koloratur-starkem Sopran, ist so quicklebendig und tänzelnd-schäkernd unterwegs, wie man sich das für diese Rolle nur wünschen kann. Sehnsucht nach Daniela Fally, die seit der Premierenbesetzung im Haus am Ring immer wieder als Zerbinetta zu erleben war, kam so an diesem Abend nicht auf. Rückendeckung bekommt Zerbinetta von einem resolut sich behauptenden und dann wieder von Zweifeln geplagten und in Resignation versinkenden Musiklehrer (Jochen Schmeckenbecher).

Wirkungsvoll komplettiert wird das übermütig und fein abgestimmt ans Werk gehende Quintett der Komödianten rund um Zerbinetta durch Rafael Fingerlos (Harlekin), Junxu Xiahou (Scaramuccio), Wolfgang Bankl (Truffaldino) und Pavel Kolgatin (Brighella). Zu den der Comedia dell arte enstprungenen Spaßmachern gehören weiters zwei Tänzer und der herrlich kapriziöse Tanzmeister von Thomas Ebenstein. Ob seine affektierte Darstellung mit parodierenden homoerotischen Zügen politically correct ist, sei allerdings dahingestellt.

In der Titelpartie kann Adrianne Pieczonka ihre Meisterschaft als Strauss-Sängerin gebührend unter Beweis stellen, und dem Gegensatzpaar Komponist – Zerbinetta wird das Gegensatzpaar Ariadne – Zerbinetta zur Seite gestellt. Oder, wie es bei Hofmannsthal heißt, es handelt sich dabei um die „Gegenüberstellung der Frau, die nur einmal liebt, und der, die viele Male sich gibt“. Umfangen wird sie in ihrer Trauer von einem hochkarätig besetzten, ausgewogenen Nymphenterzett: Najade (Maria Nazarova), Dryade (Svetlina Stoyanova) und Echo (Olga Beszmertna).

Fehlt noch der Einspringer des Tages: Da Stephen Gould noch weiter erkrankt ist, kam diesmal als Bacchus – wie zuvor schon Herbert Lippert – der Amerikaner Charles Workman zum Einsatz, der am Theater an der Wien schon in drei Händel-Opern mitgewirkt hat und in der Staatsoper im vergangenen Jahr zuletzt in Alban Bergs Lulu als Alwa dabei war. Mit einer feinen, schlanken Tenorstimme ausgestattet, hatte er bei seinem Rollendebüt an der Staatsoper einige Mühe, sich gegenüber der einnehmenden Pieczonka zu behaupten. Man möchte ihn im Haus am Ring aber gerne bald wiedersehen bzw. -hören, z. B. im französischen Fach oder bei Mozart.

Das besondere Verhältnis der Wiener Philharmoniker zu Richard Strauss gehört in der Wienerstadt zum guten Ton. Kein Wunder also, dass das Staatsopernorchester unter der Leitung von Patrick Lange prächtig und hörbar gut gelaunt und – wo das am Platz war – auch durchaus schwelgerisch aufspielte: Basis für einen Repertoireabend der eindeutig besseren Art. Der Applaus klang begeistert, wenn auch nicht sehr anhaltend.

 

Manfred A. Schmid
OnlineMERKER

 

 

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