WIENER STAATSOPER: ARIADNE AUF NAXOS am 2.1.2013
Krassimira Stoyanova, Stephen Gould. Foto: Barbara Zeininger
Einen überaus erfreulichen Auftakt des neuen Jahren bescherte die „Derniere“ der Premierenserie der Neuproduktion dieser Strauss-Oper nach dem Hoffmannsthal-Libretto. Wie es nun einmal in Wien so üblich ist, misst man die Neuinszenierung unausweichlich mit der alten – und in diesem Falle geht der Vergleich durchaus zu Gunsten der Produktion von Sven-Eric Bechtolf und Rolf & Marianne Glittenberg aus. Man erkennt schon die Handschrift dieses bereits eingespielten Produktionsteams – den Besuchern erwartet zumeist ein reduziertes Bühnenbild, das sich, wie auch schon bei „Arabella“, ästhetisch an die Salons der 1920er-Jahre anlehnt. Dazu eine ausgefeilte Personenregie, die auch – besonders bei der Aufführung der Oper – den „reichsten Mann von Wien“ und dessen Gäste mit einbezieht.
Bechtolfs Regien sind bei vielen KollegInnen nicht unumstritten, mir persönlich gefällt aber, was er macht. Und immer wieder erkennt man an Kleinigkeiten, wie sehr er die Musik in den Vordergrund stellt und Bewegungen and musikalische Akzente der Partitur anpasst.
Der Abend begann mit einer kleinen Enttäuschung. Da ich Christine Schäfer noch nie live erleben durfte war ich – auch auf Basis der bis dato geschriebenen Rezensionen – auf ihren Auftritt gespannt. Allerdings musste sie kurzfristig absagen und so kam Stephanie Houtzeel, die als Cover die Produktion sehr gut kennt, zu ihrem Auftritt als „Komponist“. Nun, der begeisterte Applaus des Publikums (die Stehplätze waren voll!) belohnte sie für ihre Leistung. Besonders schauspielerisch wusste sie zu überzeugen – die ganzen Nuancen der aufkeimenden Verliebtheit zu Zerbinetta, die Verzweiflung des jungen Künstlers, der noch an hehre Ideale glaubt, wurde glaubhaft gespielt. Von der Figur her ist sie ideal für diese Partie. Auch gesanglich war wenig auszusetzen, obwohl sie bei den höheren Tönen manchmal angestrengt wirkte. Dies wurde aber durch eine sehr tragfähige Mittellage und, wie schon erwähnt, durch ihre Bühnenpräsenz wettgemacht. Mir gefiel der Regieeinfall, den Komponisten auch in die „Oper“ einzubinden – ob allerdings der Mäzen es auch in natura gerne gesehen hätte, dass während der Aufführung dieser Komponist immer wieder die Bühne erklimmt, wage ich zu bezweifeln. Auf jeden Fall war das ein großer persönlicher Erfolg für Frau Houtzeel, der ihr Mut für die kommende „Rosenkavalier“-Serie machen sollte!
An einem vom gesanglichen her überdurchschnittlichem Abend ragten drei Sänger heraus – in der kleineren Rolle des Tanzmeisters wusste Norbert Ernst einmal mehr sich in Szene zu setzen. Da entwickelt sich ein Charaktertenor, der locker in die Fußstapfen großer Vorgänger treten kann. Seit seinem Wien-Debüt in den Meistersingern unter Thielemann wurde seine Stimme größer. Er kann sich bewegen, hat Ausstrahlung. Loge und Mime lassen schon grüßen!
Noch nie habe ich einen schwachen Abend von Krassimira Stoyanova gehört. Nachdem sie in Verdi-Rollen Maßstäbe setzt, bei Puccini zu Hause ist, eine wunderbare Nozze-Gräfin ist landete sie jetzt bei Strauss – und auch da betört sie mit perfekt geführter Stimme und einer Noblesse, die sich, ehrlich gesagt, mit der aufgesetzten Zickigkeit der Primadonna, nicht ganz verträgt. Wieder einmal wundere ich mich, warum diese Künstlerin nicht noch berühmter ist, sie hätte es wahrlich verdient.
Stephen Gould war als Tenor/Bacchus gefordert – diese Rolle ist mit eine der schwierigsten der ganzen Opernliteratur. Was Richard Strauss da von einem Sänger verlangt, das ist unheimlich viel. Einige, auch bekannte, Tenöre scheiterten an den Anforderungen. Nicht so Gould, dem zwar einige Töne nicht so vordergründig leicht wie einem Johan Botha gelangen, der aber die Kraft und das Volumen hatte, das manchmal fast zu laut spielende Orchester (aber das hat man schon oft erlebt, wenn Welser-Möst dirigiert) zu übertönen. Im Leopardenkostüm schaute er putzig aus. Die Idee, dass man ihm darüber einen weiten Mantel anziehen ließ, war hervorragend. Bei seinen „Circe“-Rufen konnte man ein Wagner’sches (der Komponist, nicht die Rezensentin!) Deja Vu haben.
Es wäre zu wünschen, dass bei Reprisen wieder auf Peter Matic in der Rolle des Haushofmeisters zurückgegriffen wird. Es war ein Genuss, seiner klaren Diktion zu lauschen. Auf ein paar Mätzchen, die ihm die Regie zugeschanzt hatte, könnt man aber verzichten.
Es wurde viel über Daniela Fally geschrieben, die als Zerbinetta eine Rolle hat, die sie auch zu internationalem Ruhm führen wird. Fally lieferte eine sehr gute Leistung ab, die auch entsprechend akklamiert wurde, doch – und da sind wir bei Kritik auf hohem Niveau – braucht sie meiner Meinung nach noch etwas Zeit, um die Schwierigkeiten absolut perfekt meistern zu können. Die Kostüme waren für sie perfekt – sie war schlicht und ergreifend entzückend anzuschauen und das Zusammenspiel mit Plachetka und Houtzeel war großartig.
Jochen Schmeckenbacher gab den Musiklehrer ohne Fehl und Tadel, Marcus Pelz war ein verlässlicher Lakai. Adam Plachetka (Harlekin), Carlos Osuna (Scaramuccio), Andreas Hörl (Truffaldin) und Pavel Kolgatin (Brighella) machten ihre Sache sehr gut – besonders Plachetka überzeugte mit viel Lust am Schauspielen. Valentina Nafornita (Najade) hörte ich schon überzeugender, Olga Bezsmertna (Echo) und Margarita Gritskova (Dryade) passten sich dem hohen gesanglichen Niveau des Abends an.
In diesen Tagen scheint es, dass es nahezu unmöglich ist, Franz Welser-Möst nicht in Aktion zu erleben (FMW hier, FMW dort, FMW oben, FMW unten…). Die Musik von Richard Strauss liegt ihm sehr. Er ist ein akribischer Arbeiter, dem es immer wieder gelingt, auch kleine Phrasen der Komposition mit dem Staatsopernorchester klar herauszuarbeiten. Manchmal neigt er allerdings dazu, die Sänger mit dem Orchester zuzudecken. Er dürfte sich beim Publikum eine Fan-Basis erarbeitet haben – schon beim Auftreten wurde er bejubelt.
Insgesamt ein sehr erfreulicher Abend mit tollen Gesangsleistungen. Wenn man bedenkt, dass Gould und Stoyanova dem Haus sehr verbunden sind, könnte man davon sprechen, dass es eine Aufführung war, die nur aus dem Ensemble besetzt wurde und kaum einen Wunsch offen ließ. Was Strauss und Wagner betrifft ist die Wiener Staatsoper wahrlich gut aufgestellt!
Kurt Vlach