WIENER STAATSOPER: „ANNA BOLENA“ am 31.10.2013
Nach ihrer Rückkehr aus Japan präsentiert sich diese Produktion in ihrer zweiten Wiener Serie mit (nahezu) vollkommen neuer Sängerbesetzung. Und diese bewies, dass nicht nur Sänger, die in den Medien einen gewissen Glamourfaktor aufzuweisen haben, eine herausragende Aufführung gestalten können. Allen voran ist dabei Krassimira Stoyanova zu nennen. Sie setzt ihre, in allen Lagen ausgeglichene, nie forcierte Stimme perfekt für die Gestaltung der unglücklichen Königin ein. Von zartesten Pianohöhen über dramatische Ausbrüche bis zu einer satten Tiefe, um die sie mancher Mezzo beneiden könnte, stimmt hier alles. Ihre Freundin und Rivalin Jane Seymour war Sonia Ganassi und auch bei ihr blieben stimmlich keine Wünsche offen. Einzig am Ende der großen Szene der beiden Frauen wäre die Wirkung vielleicht besser, würde der Schlusston nicht so plakativ hinausgeknallt.
Der Enrico von Luca Pisaroni sieht eindeutig besser aus als sein historisches Vorbild auf dem bekannten Bild von Hans Holbein. Sein weicher samtige Bass lässt einen bedauern, dass Donizetti diese Partie nicht auch mit einer Arie bedacht hat. Den unglücklich in die Intrige verstrickten Pagen Smeton gestaltete Zoryana Kushpler darstellerisch recht burschikos und stimmlich ordentlich. Für den erkrankten Stephen Costello sprang José Bros ein. Er ist zweifellos ein stilsicherer Belcantospezialist, wenn auch das stark nasale Timbre gewöhnungsbedürftig ist. Das Einspringen in dieser Inszenierung ist sicher kein großes Problem, da nicht viel mehr als Standard-Operngesten verlangt sind. Jedenfalls ist ihm für das Einspringen zu danken. Carlos Osuna bewies, dass man den Hervey auch mit einer lyrischen Stimme singen kann und der einzig Verbliebene der Originalbesetzung, Dan Paul Dumitrescu steuerte als Rochefort profunde tiefe Töne bei.
Am Pult stand mit Evelino Pido ein Mann, dem das Belcanto-Repertoire ans Herz gewachsen ist und der seine Begeisterung dafür auch auf das Orchester übertragen kann. Auch der von Thomas Lang einstudierte Chor trug das seine zum Gelingen dieses schönen Abends bei.
Nachdem nun die kalte Jahreszeit beginnt, dreht sich nicht nur das Umbesetzungskarussell, sondern auch im Publikum nimmt die Anzahl der Huster erschreckend zu. Vielleicht könnte man mit einem Zuckerlhersteller ein Arrangement treffen und Hustenzuckerln am Eingang verteilen…
Wolfgang Habermann