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WIEN/ Staatsoper: ADRIANA LECOUVREUR. Premiere

16.02.2014 | KRITIKEN, Oper

ADRIANA LECOUVREUR – Staatsoper/Premiere am 16.2.2014

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Angela Gheorghiu. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn

 Es gibt Opern, die vor allen Dingen in Italien oder den USA durchaus populär sind, aber den Weg sehr spät nach Wien finden. Ponchiellis „La Gioconda“ z.B. wurde erstmals 1986 in der Staatsoper aufgeführt und so ist es auch mit der „Adriana“. Zwar gab es Ende der 60er-Jahre eine Produktion in der Volksoper (mit Marylin Zschau und Ion Buzea), aber im Haus am Ring sah man das Werk bislang nicht. Dabei handelt es sich um eine typische „Sängeroper“. Damit meine ich Werke, die zwei – oder wie hier – drei dankbare Rollen haben, die man individuell mit verschiedenen Sängern besetzen und so die Produktion optimal im Repertoire nutzen kann, ähnlich wie z.B. auch „Fedora“, „Manon Lescaut“ oder „Werther“. Die Handlung ist im Grunde einfach – eine typische Dreiecksgeschichte – auch wenn im ersten und dritten Akt die Genreszenen einen breiten Raum einnehmen. Die Musik ist ausladend schwelgerisch mit wunderschönen Melodien und großartigen Arien. Dramaturgischer Höhepunkt ist sicher die vom sonstigen Stil des Werkes abweichende Rezitation der Adriana am Ende des dritten Aktes.

Ein Werk wie die „Adriana“ ist aber auch ein typisches Werk für Koproduktionen, denn es ist kein Kernstück des Repertoires. Daher habe ich das Nasenrümpfen mancher nicht verstanden, weil wir hier die Londoner Produktion übernommen haben.

Diese Londoner Produktion bietet dann das, was man gemeinhin eine werkgetreue Inszenierung nennt. Unter werkgetreu meine ich, dass die im Libretto vorgegeben Schauplätze und auch die Zeit, in der das Stück spielt, berücksichtigt werden. Die Personenregie von David McVicar (Einstudierung Justin Way) ist logisch und repertoiretauglich, d.h. sowohl für wechselnde Besetzungen als auch für Einspringer rasch begreifbar. Die Bühnenbilder von Charles Edwards und die Kostüme von Brigitte Reiffenstuel sind schön anzusehen und zweckentsprechend. Ich hätte ja weniger gegen zeitaktuelle Inszenierungern, wenn wir nicht fast immer hässliche bis unsinnige Bühnenbilder und Kostüme vorgesetzt bekämen.

Musikalisch war die Aufführung durchwachsen. Angela Gheorghiu ist eine Sängerin, die polarsiert und ich glaube, sie pflegt diesen Umstand ganz gerne, um damit im Gespräch zu bleiben. Sie ist jener Typ Sängerin, die man entweder mag oder nicht. Da ich aber ein Gegner jeglicher Schwarz-Weiß-Malerei bin, bemühe ich mich um eine differenzierte Beurteilung ihrer Leistung. Die Stimme ist an sich schön – und wenn sie ihre Piano-Phrasen spinnt und lyrische Passagen singen kann, dann kann man eigentlich vollauf zufrieden sein. Nur wenn es dramatisch wird merkt man, dass die Mittellage viel zu schmal ist und es kommt eigentlich in diesen Bereich überhaupt nichts über die Rampe. Dies betrifft leider nicht nur den Gesang, sondern  auch die Rezitation, wodurch das Finale des 3. Aktes – an sich der Höhepunkt des Werkes – völlig wirkungslos blieb. Ehrlicher Weise muss man dann aber auch feststellen, dass ihr die Arie im 4. Akt, die sie mit viel Ausdruck sang, gut gelungen ist.

Eine Enttäuschung – und das war nach dem Cavaradossis vor einigen Wochen zu befürchten – war Massimo Giordano als Maurizio. Das Material ist an sich recht gut, aber in der Weiterbildung der Stimme muss irgend etwas passiert sein, den in der höheren Mittellage bricht die Stimme und so klingen die höheren Passagen eher gequält. Das er zudem beim Singen forciert, macht es das Ganze nicht besser. Eigentlich fragte man sich den ganzen Abend, ob diese Stimme überhaupt für dieses Fach geeignet ist.

Die beste sängerischen Leistung bot Elena Zhidkova als Fürstin. Sie sang ihre große Arie mit schöner Stimme und viel Ausdrck und war auch den restlichen Abend die präsenteste Figur auf der Bühne. Ihr am nächsten kam Roberto Frontali als Michonnet. Er sang die Rolle mit schönem, ebenmäßigen Bariton und spielte ungemein berührend.

Der ehemalige Rossini-Tenor Raul Gimenez – er sang früher in Wien u.a. Almaviva und Lindoro – sang mit schöner Stimme einen quirligen und manchmal etwas schrulligen Abbé, während Alexandru Moisiuc als Fürst etwas blass blieb. Die kleineren Rollen waren mit Bryony Dwyer (Jouvenot), Juliette Mars (Dangeville), Jongmin Park (Quinault), Jinxu Xiahu (Poisson) und David Prohaska (Haushofmeister) ordentlich besetzt.

 Evelino Pido, den ich im Belcanto-Fach sehr schätze, hat das Werk sehr präzise einstudiert, lässt das Orchester klingen, bemüht sich um Transparenz und ist den Sängern ein guter Partner. An manchen Stelle hätte ich mir jedoch mehr Emotion gewünscht. Die Partitur ist natürlich wie geschaffen für unser Orchester. Hier kann es seine ganzen Klangqualitäten voll auspielen und alle möglichen Klangfarben leuchten lassen.

Der von Thomas Lang einstudierte Chor entledigte sich seiner Aufgabe zufriedenstellend. Das Ballet kann und will ich nicht beurteilen, da mir diese Kunstform, trotz vieler ehrlicher Bemühungen, sie zu begreifen, stets fremd geblieben ist. Ich kann  nur sagen, dass es mir ganz gut gefallen hat.

 Die Beigeisterung am Schluß war enden wollend, den lautesten Applaus erhielten Zhidkova und Frontali. Das Regieteam erntete einige schwache Buhrufe, das waren wahrscheinlich Freunde des zeitaktuellen Theaters, die lieber ein Psychodrama a la Strindberg gesehen hätten, aber das gibt das Werk ganz einfach nicht her.

 In den den Pausengesprächen – wozu man uns übrigens eine zweite viel zu lange Pause aufs Auge drückte, war nicht verständlich – hörte von den älteren Stammbesuchern oft die Frage, warum dieses Werk erst jetzt den Weg auf unseren Spielplan gefunden hat und nicht schon früher, als man die Hauptrollen mit den größten Sängern – ich nenne jetzt ganz bewusst keine Namen – hätte besetzen können.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 

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