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WIEN/ Palais Khevenhüller: LIEDERABEND MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN

22.11.2017 | Konzert/Liederabende

21.11.2017, Gesellschaft für Musiktheater,  Palais Khevenhüller: Liederabend MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN

Wr. KOnzerte Marisa besseres Foto
Marisa Altmann-Althausen. Copyright: Sieglinde Pfabigan

Wie schafft es die Besitzerin einer Fricka- und Ortrud-Stimme, dass keines der Lieder von Hugo Wolf, M. Mussorgsky, Hanns Eisler und Franz Schubert – also ziemlich gegensätzliche Kompositionen – durch die pure Gewalt dieses Mezzosoprans stilistisch zu Schaden kommt? Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Sie kann halt einfach singen. Was ja auch stimmt. Aber dazu kommen Fertigkeiten, die berühmteren Vertreterinnen ihres Fachs abgehen. Wie etwa die Wortdeutlichkeit. So prägnant, wie Marisa Altmann-Althausen jeden einzelnen Konsonanten artikuliert, hört man das selten. Aber die vokale Linie wird dadurch nicht gestört. Da die Sängerin über ein beachtliches Altregister verfügt, ist schon einmal die dunkle Farbe als eines der Ausdrucksmittel gegeben. Da variiert sie den Klang aber auch, je nach dem Inhalt des Gesungenen. War es beim 1. Hugo-Wolf-Lied, „Verborgenheit“, ein ebenmäßiges Legato, so war es beim letzten Lied des Abends, Schuberts „Erlkönig“, „das Kind ist tot“ ein so finster und erschreckend unbarmherzig intonierter, unfehlbarer Todesstoß, dass man darob erbebte.  Zwischen beruhigender oder verträumter Lyrik, ob freud- oder leidvollen Inhalts, und höchster Dramatik wechselte der Vortrag, ja nach Bedarf, und es gab keine Schwierigkeit beim Übergang von einer Lage in die andere und niemals brach die Spannung ab.

Den für den Anfang gewählten 6 Wolf-Lieder auf Mörike-Texte mit dem fulminant herausgeschleuderten „Er ist’s!“ als Höhepunkt folgten  Mussorgskys höchst anspruchsvolle „Lieder und Tänze des Todes“, lauter relativ lange Lieder düsteren, depressiven  Inhalts, die aller verbalen und vokalen Künste bedürfen, um nicht langatmig zu wirken. So etwa  das „Wiegenlied“ für ein todkrankes Kind im Fieber, bewacht nur noch von der Mutter in zunehmend trüber werdender Nacht, bis im Morgengrauen der Tod als Rettung aus der Qual den himmlischen Frieden ankündigt. Auch das vom Titel her Freundlicheres versprechende „Ständchen“ kündet von dahinwelkender Jugend und einem „Brautkuss“durch den die kranke Frau „rettenden“ Tod. Und ganz hart geht es in „Der Feldherr“ zu  – Geschütze donnern, schmetternde Hörner, es tobt die Schlacht…und die Sängerin konnte alle hochdramatischen Register ihrer Stimme ziehen.

Nach der Pause standen 5 Brecht-„Elegien“ von Hanns Eisler auf dem Programm. Alle ganz kurz, voller Sarkasmus, an seine Theaterstücke gemahnend. „Unter den grünen Pfefferbäumen gehen die Musiker auf den Strich…“, „Die Stadt ist nach den Engeln genannt…“; um „Jeden Morgen mein Brot zu verdienen“, drängt sich ein Mann unter diverse Verkäufer auf dem Markt, „wo Lügen verkauft werden…“, „Diese Stadt hat mich belehrt…“ (bezogen auf Los Angeles, wo Eisler im Exil lebte), und „In den Hügeln wird Gold gefunden“ (Hollywoods Filmindustrie) sind die beziehungsvollen Titel. Zu lyrischer Entfaltung ist da kein Platz.

Dafür hat sich die Sängerin für den Schluss 4 Schubert-Juwelen aufgehoben: „Die junge Nonne“, „Der Tod und das Mädchen“, „Nachtstück“ und „Erlkönig“. Hier kann die Interpretin ihre Belcanto-Qualitäten unter Beweis stellen, um die großen Gefühle Klang werden zu lassen, die Franz Schubert in Noten gesetzt hat. Die präzise Artikulation bleibt, aber es werden große Spannungsbögen gezogen,  mit deutlichen Crescendi vor dem jeweiligen dramatischen Höhepunkt. Besonders hervorgehoben seien noch die verschiedenen Stimmen, die Marisa Altmann-Althausen für die Goethe-Ballade in lockerem Wechsel einsetzte: einerseits  nervöse Töne für das verängstigte Kind, andererseits sonore tiefe Töne für den Vater, der seinen Sohn beruhigen will, und die unglaublich hell schillernde Klangfarbe für die verlockenden Worte des Erlkönigs.           Als willkommene Zugaben hörten wir  Schuberts „Litanei“ (auf das Fest Allerseelen)  und „Du holde Kunst“.

Freilich bedarf es zu solcher Vokalkunst einer entsprechenden instrumentalen Begleitung. Hatte man zunächst bedauert, dass der ständige Liedpartner der Sängerin, Prof. Stephan Möller, wegen eines Unfalls absagen musste, so erlebten wir in seiner Assistentin am Prayner Konservatorium, der jungen Japanerin Kaori Saeki, einen vollwertigen Ersatz. Dazu hatte sie das Privileg, auf einem prächtigen Steinway-Flügel ihre Kunst zeigen zu dürfen, und das nützte sie weidlich. Der einfach wunderbar weiche, volle Klang dieses Klaviers, egal, in welchen Ausdruckbereichen, war ebenso zu bewundern wie ihre häufig geforderte Virtuosität. Im Andante aus dem Schubert-Impromptu Ges-Dur, D 899/3, gab sie sich Schuberts Kantilenenseligkeit hin, andererseits stieß sie ins Hochdramatische vor, wie z.B. beim Mussorgsky-Solo „Une larme“ und dem sturmdurchtobten Lied „Trepak“ oder der dissonanten Einleitung zu Eislers „Pfefferbäumen“, in der Einleitung zur „Jungen Nonne“ und nicht zuletzt mit der aufwühlenden Reit-Begleitung im „Erlkönig“. Es war allemal Musizieren auf höchstem Niveau. Eine Künstlerkonstellation, die man öfters zu erleben wünscht.

Sieglinde Pfabigan

 

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