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WIEN / Nationalbibliothek: UNTER BETHLEHEMS STERN

NB Bethlemen Plakat xx~1
Fotos: Renate Wagner

WIEN / Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek:
UNTER BETHLEHEMS STERN
24 Prachthandschriften aus dem Mittelalter
Vom 7. Dezember 2016 bis zum 15. Jänner 2017

Goldglitzernde Heilsgeschichte

Jesus Christus als Kind, das „Christkind“, das ist – im Gegensatz zu Leiden und Tod am Ende seines Lebens – der hellste Teil der christlichen Glaubensgeschichte, solcherart auch „beglückend“ an die Gläubigen zu bringen. Die Buchmaler des Mittelalters taten es mit nie endendem Einfallsreichtum, hinreißender Schönheit und didaktischer Raffinesse. Die Österreichische Nationalbibliothek zählt zu jenen Institutionen der Welt, die über einen wahren Schatz von Handschriften dieser Epoche verfügen. 24 ausgewählte Stücke illustrieren die Welt der Weihnachtsgeschichten und -legenden.

Von Renate Wagner

NB Bethlemen Vitrine xx~1

Die Ausstellung Man hat die von Andreas Fingernagel kuratierte Ausstellung klein und kurz gehalten, aus wohl erwogenen Gründen. Erstens können die Bücher, auch bei gedämpftem Licht, aus konservatorischen Gründen nicht über längere Zeit gezeigt werden, sonst würde das, was in Jahrhunderten so erstaunlich bewahrt wurde, bald gefährdet sein. Und zweitens bietet jedes einzelne Werk eine solche Fülle von interessanten Details, dass sich ein Overkill einstellen würde, wenn man mehr als die 24, an bestimmten Stellen aufgeschlagenen Bücher rund um die zentrale Kuppel (bzw. natürlich darunter) zeigen würde. Da es keinen Katalog, aber viel Wissenswertes gibt, ist die Lektüre der Saaltexte zu empfehlen, die die Aufmerksamkeit auf manches lenken können, was vielleicht ohne das Wissen darum nicht ins Auge springt.

Von der Verkündigung bis zur Flucht nach Ägypten Die Stationen der Weihnachtsgeschichte ergeben sich chronologisch, die „Verkündigung“ durch den Engel über die „Heimsuchung“ (die Begegnung Marias mit der ebenfalls schwangeren Elisabeth, die Johannes den Täufer gebären wird), Christi Geburt, die klassische Szene „im Stall“. Dann die Verkündigung an die Hirten, quasi an die „kleinen Leute“, während die „Epiphanie“ mit den „Drei Weisen aus dem Morgenland“ die mächtigen Heiden an die Krippe führt. Die Darstellung des Herrn im Tempel, wie es die klassische jüdische Sitte war, der Bethlehemitische Kindesmord und schließlich die Flucht nach Ägypten komplettieren den Themenkreis, zu dem die Ausstellung zu jedem Motiv zwei bis drei ausgesucht schöne Buchbeispiele bietet.

NB Bethlemen Heimsuchung Mariens Frankr Ende 15 Jh~1

Der künstlerische Reichtum Die Werke stammen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, das älteste, Anfang des 13. Jahrhunderts aus Klosterneuburg, sowie Bücher aus dem 14. Jahrhundert (aus den 1330er Jahren in Süddeutschland und wiederum Klosterneuburg), zeigen noch eine berührende Schlichtheit der Darstellung, die wenig später der größtmöglichen Opulenz weicht. Da die Geschichte von Christi Geburt vielfach in „Stundenbüchern“ (Gebetsbücher von Reichen und Herrschern) auftauchten, findet sich oft auch der dazugehörige Text, so gut wie immer zu den Bildern auch reichster Bordürenschmuck in Gold und anderen Farben. Blumen wurden dabei bevorzugt, aber finden sich auch in höchst komplizierter Verarbeitung, Oft wird nicht nur die zentrale Szene selbst gezeigt, sondern mit kleineren Bildern der jeweiligen Vorgeschichte flankiert. Den Künstlern lagen dieselben Schilderungen aus den Evangelien (Matthäus und Lukas) vor, aber wie sie die einzelnen Situationen gestalteten, lag ganz bei ihnen und ist von größter Reichhaltigkeit. Je „höher“ das Mittelalter wurde und der Renaissance entgegenging, umso mehr verliebten sich die Künstler (die immer noch bis auf wenige Ausnahmen anonym blieben) auch in ihre handwerkliche Meisterschaft.

Die Didaktik der Darstellung Eine weltberühmte „Flucht nach Ägypten“, das Tafelbild aus dem Schottenaltar, wo Maria und Josef aus „Wien“ fliehen (die Stadt, wie sie damals war, ist detailreich im Hintergrund dargestellt), wird stets als erklärendes Beispiel dafür herangezogen, was sich auch in der Buchmalerei feststellen ließ: Dass es darum ging, die Heilsgeschichte für die einfachen Menschen nicht als etwas Fernes, Abgehobenes zu erzählen, sondern vielmehr in eine scheinbare Gegenwart zu rücken. So findet man zahlreiche Beispiele von europäischen Landschaften im Hintergrund, Ochs und Esel waren ja auch Bekannte der damaligen Bevölkerung, Menschen sind in Gewänder der damaligen Zeit gekleidet, kurz, die Heiligkeit teilweise ganz menschlich gemacht, wenn sie auch durch den Prunk der Darstellung wieder entrückt wurde. Der Betrachter kann den kostbaren Werken also unter vielfachen Gesichtspunkten begegnen – oder auch unter allen…

Unter Bethlehems Stern
24 Prachthandschriften aus dem Mittelalter
7.Dezember 2016 – 15. Jänner 2017

Täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr
Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren
Jeden Donnerstag um 18 Uhr Führung in deutscher Sprache