Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Musikverein: NEUJAHRSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER / Jansons

01.01.2016 | Konzert/Liederabende

NEUJAHRSKONZERT DER WR. PHILHARMONIKER – VOM FERSEHEN BETRACHTET – 1.1.2016

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Im Gegensatz zu unserem Chef bin ich durchaus ein regelmäßiger Seher des Neujahrskonzertes, und das aus drei Gründen: Erstens liebe ich die Musik der Strauß-Familie, weil sie für mich nicht bloss leichte Muse ist, sondern zum Großteil symphonische Musikstücke mit Tiefgang sind. Nicht umsonst hat Johannes Brahms über den Beginn des Donauwalzers einmal geschrieben: „Leider nicht von mir.“ Zweitens schätze ich die Wr. Philharmoniker, die ich, allen immer wieder auftauchenden Rankings zum Trotz, für eines der besten, wenn nicht sogar das beste Orchester der Welt halte und drittens ist es einfach ein schwungvoller Beginn des jeweiligen Neuen Jahres.

Im Konzert selbst war ich am Neujahrsmorgen bisher nur zweimal, einmal in meiner Jugend in der langweiligen Boskovsky-Zeit aus Neugier und dann – no na – am 1.1.1987, als es von Herbert von Karajan dirigiert wurde. Seit der zu diesem Zeitpunkt geübten Praxis, wechselnde Dirigenten zu engagieren verfolge ich das Konzert dann auch regelmäßig, weil es einfach interessant ist, den Zugang verschiedener Dirigenten zu diesen Werken zu hören. Natürlich gab es auch hier immer mehrere Auftritte ein und desselben Dirigenten, sowie in diesem Jahr wieder Mariss Jansons, der das Konzert bereits 2006 und 2012 mit großem Erfolg dirigierte. Auch heuer konnte man von ihm, den ich zu den interssantesten Dirigenten unserer Zeit zählen möchte, ein sehr lebendiges und großartig musiziertes Konzert erleben. Jansons hat sich sichtlich mit den Werken befasst und versuchte eine durchaus tiefgehende Interpretation. Höhepunkte waren sicher der mit viel Sensibilität dirigierte Walzer „Weaner Madeln“ von Carl Michael Ziehrer, die sehr stimmungsvoll dargebrachte Polka „Die Libelle“ von Josef Strauß und die rasant gespielte Polka „Auf der Jagd“ von Johann Strauß (Sohn). Positiv zu vermerken ist auch, daß sich das Programm des Konzertes, seit man sich vor einigen Jahren aus den Fesseln der Johann Strauß-Gesellschaft gelöst hat, wieder mehr auf die wichtigen Werke der Strauß-Familie konzentriert und keine Raritätensammlung mit populären Einsprengseln darbietet. Da zu kommt, dass man zusehens „neue“ Komponisten dazu nimmt, wie diesmal Robert Stolz und Emile Waldteufel. Leider zählt man offenbar meine Lieblingspolka – „Feuerfest“ – mittlerweile zu den Raritäten, aber das ist halt mein eigenes Problem.

Im übrigen sollte man einmal die Aufteilung des Programmes neu überdenken, denn das Übergewicht des zweiten Teiles stammt noch aus jenen Fernsehzeiten, als nur dieser übertragen wurde. Auch auf die Ballettumsetzungen sowie die Filmillustrationen mancher Stücke könnte man mittlerweile verzichten, denn auch das stammt aus der Steinzeit des Fensehens, als man glaubte, den Zusehern nicht ein reines Konzert zumuten zu können.

Was Mariss Jansons betrifft, so warte ich immer noch auf sein Debut an der Staatsoper. Wäre doch ein guter Neujahrsvorsatz des Direktors für 2017.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

Diese Seite drucken