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WIEN/ Musiktheatertage / Kabelwerk/Werk2: disPLACE. Uraufführung

01.09.2015 | Oper

Musiktheatertage Wien 2015 im WERK 2 im Meidlinger Kabelwerk (Oswaldgasse 35A) disPLACE 1.9. 2015(Uraufführung)
Diese Produktion entstand in Koproduktion mit Òpera de Butxaca i Nova Creació aus Barcelona.

Unbenannt
Copyright: Mangafas

Der Komponist Joan Magrané Figuera (geb. 1988) und die Komponisten Raquel García-Tomás (geb. 1984), beide Katalanen, entwarfen in disPlace ein musikalisches Bild von der Gentrifizierung der Innenstadt Barcelonas von zwei konträren Standpunkten aus. Durch die Abwanderung ärmerer und den Zuzug wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen kam es in Barcelona gleichzeitig zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus. So wurde vor ca. zehn Jahren ein Wohnhaus an den Las Ramblas, der Prachtstraße von Barcelona, von neuen Eigentümern übernommen, die die Mieter höflich aber bestimmt vor die Wahl stellten, auszuziehen oder die Wohnungen um sündteures Geld zu kaufen. Acht von elf Mietern ließen sich vertreiben, ihre Wohnungen wurden renoviert und überteuert verkauft. Die neuen Wohnungskäufer erhielten leicht Kredit und wer die Raten nicht mehr abzahlen konnte, musste seine Wohnung bald wieder verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt (Stand 2015) aber waren die Wohnungspreise inzwischen in den Keller gefallen und die bereits gekauften Wohnungen nur mehr die Hälfte wert. Mit den nun folgenden Zwangsverkäufen waren für viele nicht einmal mehr die aushaftenden Kreditschulden zu tilgen.

Helena Tornera, diplomierte Touristikkauffrau mit einem Abschluss in Dramaturgie und Regie, schilderte in ihrem Libretto das Schicksal zweier Paare in der gleichen Wohnung, im Zeitabstand von fünf Jahren vor dem Hintergrund des fortschreitenden „touristischen Ausverkauf“ von Barcelona.

disPLACE03_ © Mangafas
Copyright: Mangafas

Teil 1: Story of a House: Wir befinden uns mitten in der Ciutat Vella von Barcelona. Hier bewohnt Henry, ein spanischer Projektmanager für Städtebau bei einer großen Firma, gemeinsam mit der Französin und Übersetzerin Marie eine Schickeria-Wohnung in einem sanierten Altbau. Zwei Welten prallen aufeinander: Während Henry vor allem die Vorteile der Veränderungen, die das Stadtbild von Barcelona in den letzten Jahren erfahren hat, sieht, trauert Marie den kleinen alten Läden und der weniger eleganten, dafür aber umso gemütlicheren Atmosphäre ihres Barri (katalanisch: Stadtviertel) nach.

Teil 2: Història d’una casa: Wir befinden uns in derselben Wohnung einige Jahre vor der Sanierung. Hier leben die Katalanin Amèlia, Journalistin, und ihr französischer Freund David, Enkel von Exilkatalanen. Es ist die Nacht vor der Zwangsräumung. Am Boden liegt gefesselt und geknebelt ein Mitarbeiter des Immobilienunternehmens. Amèlia vergiftet zunächst ihren Freund, der nach einer heftigen Abschiedsszene in ihren Armen stirbt. Dann springt sie selber aus dem Fenster.

 Diesen hochbrisanten Stoff setzte Peter Pawlik in der Ausstattung von Alexandra Burgstaller und der einfühlsamen Lichtregie von Harald Michlits in Szene.

Joan Magrané Figuera vertonte den ersten Teil und konnte seine musikalischen Wurzeln bei Beat Furrer, bei dem er an der Kunst Universität Graz studiert hatte, nicht verleugnen. Gesungen wurde übrigens in Englisch.

In musikalischer Hinsicht war die Musik von Raquel García-Tomás, die den zweiten Teil vertonte, weitaus spannender geartet als jene ihres katalanischen Kollegen. Natürlich ist das Thema auch der Delogierung und des Freitodes der Protagonisten ergreifender, kathartischer. Gesungen wurde jetzt in Katalanisch.

Elena Copons gestaltete die sensible, wehmütig an den Gedanken an ihr altes Wohnviertel denkende Marie sowie die verzweifelte Amèlia, die ihren Geliebten ermordet und dann aus dem Fenster springt, mit durchdringendem Sopran. In der Doppelrolle des Immobilienmaklers Henry und des eher introvertierten David gefiel Bariton Sébastien Soules. In der stummen Rolle des Immobilienmaklers trat Benedek Nagy auf.

Vom Ensemble PHACE spielte Sophia Goidinger-Koch Viola und Barbara Riccabona Violoncello. Die umsichtige musikalische Leitung lag in den bewährten Händen von Vinicius Kattah.

DisPLACE wird noch am 5.,6.,8. und 11. September im Werk 2 aufgeführt. Spieldauer 75 Minuten. Zwischen den beiden Teilen gibt es eine Pause, die für den Umbau auch erforderlich ist. Für mich persönlich war es die bisher beste Produktion und spannendste Produktion. Bravo.

Harald Lacina

 

 

 

 

 

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