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WIEN/ Lutherische Stadtkirche: AM RANDE DES HIMMELS von Helmut Jasbar. Uraufführung

30.05.2017 | Konzert/Liederabende

Wien, Lutherische Stadtkirche. Am Rande des Himmels von Helmut Jasbar (Uraufführung) am 28.5.2017

Von Stefan Pieper

Am Rande des Himmels - ASC
Copyright: Christian Exner

Die Leistung Martin Luthers lag darin, die Worte der Bibel für viele Menschen erfahrbar zu machen – zusammen mit der Einführung der Buchdruckerkunst ergab sich ein Multiplikatoreffekt mit den bekannten historischen Umwälzungen. 

Luthers geistliche Botschaften, aber auch viel allgemeingültige Lebensweisheit findet hier sich eingebettet in kolossale Sprachgewalt – die auch heute noch eine ungebrochene Sogkraft entfaltet. Zumindest, wenn man sie, wieder der Wiener Komponist Helmut Jasbar mit zeitgemäßen musikalischen Mitteln ins Heute transportiert. Jasbars neues, soeben uraufgeführtes Oratorium „Am Rande des Himmels“ schlägt auf raffinierte, zugleich behutsame Weise eine Brücke zwischen traditionellen Formen der geistlichen Musik und der musikalischen Gegenwart.

Das Libretto enthält Auszüge der Lutherschen Übersetzung des Johannes Evangeliums und Auszüge aus Hiob (Altes Testament).

Also begaben sich in der voll besetzten lutherischen Stadtkirche der Albert-Schweitzer-Chor, mehrere ausgesuchte Solisten und eine überaus feinnervig aufspielende Hofkapelle Graz auf ein zeiten-umspannendes und Stilgrenzen überschreitendes gemeinsames Abenteuer – welches darüber hinaus in bestem Sinne den Funken beim Publikum überspringen ließ!

Jasbar wählt die tradierte Form eines Oratoriums, lässt sogar Darmsaiten und Barockbögen zur Anwendung kommen. Aber Jasbar, der ursprünglich als Rockgitarrist in die Musikwelt hinein fand, blickt souverän über Tellerränder. Das zeigt die Tonsprache, die aus dem Heute kommt, ohne dezidierte neutönerisch zu sein.

Ätherische Himmelsstürmerei vollführt der Chor. Großartig, wie der Albert-Schweitzer-Chor ganz enge Intervalle, die fasst schon clusterartig wie etwa bei Ligeti wirkten, ins Schweben versetzt.  Streicher, aber auch einige historische Holzblasinstrumente beanspruchen eine subtile Führungsrolle – aber die Musik fließt auch in lang gewebten, verschachtelten, über weite Strecken tonalen Melodienbögen fein verästelt voran. Phasenweise sorgen auch dezidiert rhythmische Parts für waches Temperament.

Das ganze dient der Verdichtung des deklamatorischen Stromes aus Worten: Jaspar hat hier intensiv die Luther-Texte studiert und eine eigene subjektive Wahl getroffen. Ihn interessieren Aspekte von Vergänglichkeit und Erlösung, ebenso aber eine breite Skala aus innigen menschlichen Empfindungen, welche sehr stark poetisch aufgeladen und metaphern-gesättigt sind. Und da es bei Luther auch immer um Text-Verständlichkeit geht, gibt es in diesem Oratorium auch die Worte „pur“.

Rezitatorin Julia Stemberger lieferte in der Lutherischen Stadtkirche auf jeden Fall eine erfrischende Prise Theatralik. Die manchmal auch einschüchternd wirkte, vor allem, wenn es um die kolossalen Drohgebärden der Johannes-Apokalypse geht.

Die Musik wirkt in diesem Kontext nicht selten sehr unmittelbar kommentierend, bildet aber durch die intensive Ausgestaltung nach wie vor ein starkes Zentrum. Von frappierender Ausdruckskraft und voller fragiler, bebender Emotion durchdrungen, erwies sich Tenor Daniel Johannsen hier als Traumbesetzung!  Auch Sopranistin Ursula Langmayr überzeugte mit starkem Ausdruck in ihrer Stimme. Ein großes Kompliment muss dem Dirigenten Matthias Krampe ausgesprochen werden, der in jedem Moment in diesem komplexen, vielschichtigen Werk die Kräfte optimal ausbalancierte.

Das Resultat: Die Botschaft traf das Publikum im Innersten! Davon zeugte diese besondere Phase völliger Stille nach dem letzten Ton, bevor umso heftigerer Beifallsjubel die kleine lutherische Kirche erfüllte.

Stefan Pieper

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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