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WIEN / Kunstforum: GEORGIA O’KEEFFE

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Fotos (Motive aus der Ausstellung) Heiner Wesemann

WIEN / Kunstforum Wien:
GEORGIA O’KEEFFE
Vom 7. Dezember 2016 bis zum 26. März 2017

Die amerikanische Ikone

Wenn im allgemeinen gerne Jahrestage als „Aufhänger“ für Großausstellungen verwendet werden – hier ist einer: 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, zeigte der amerikanische Fotograf Alfred Stieglitz in seiner New Yorker Galerie „291“ eine Gruppenausstellung. Darin sah man auch die abstrakten Kohlezeichnungen einer 29jährigen Unbekannten namens Georgia O’Keeffe. Das war der Beginn einer der unglaublichsten Karrieren in der Geschichte der amerikanischen Kunst. Die Ausstellung im Kunstforum Wien zeichnet nun den Weg dieser Ikone nach.

Von Heiner Wesemann

Die Ausstellung Man kennt den Namen „Georgia O’Keeffe“ selbstverständlich als den einer der bedeutendsten amerikanischen Künstlerinnen überhaupt. Doch in Europa hat man selten Gelegenheit, ihre Werke „live“ zu sehen. Eine Zusammenarbeit der Londoner Tate Modern, wo die Ausstellung zuerst gezeigt wurde, dem Kunstforum Wien, wo man nun aus dem Staunen nicht herauskommt, und der Art Gallery of Ontario, Toronto (wo die Schau dann ihre letzte Station erreicht), wurde durch das O’Keeffe-Museum in Santa Fe hilfreich kanalisiert. Das Ergebnis: 85 Originale – die größte Ausstellung ihrer Werke außerhalb der USA -, dazu noch 60 Fotos, die auch die Person und den Umkreis der Künstlerin in den Fokus rücken. Begehrt und verstreut in aller Welt, mussten 50 Leihgeber zusammen kommen, dies möglich zu machen. Das Ergebnis fällt entsprechend spektakulär aus.

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Georgia O’Keeffe Georgia O’Keeffe (1887–1986) war ein „Mädchen vom Lande“, geboren auf einer Milchfarm in Michigan, das als Künstlerin schließlich aufs Land zurückkehrte und das solitäre Leben abseits der großen Städte zum Kult erhob. Bis sie zu Stieglitz nach New York zog (also beinahe ihre ersten drei Lebensjahrzehnte), studierte und unterrichtete sie. New York und Sommeraufenthalte am Lake George (ein See im Bundesstaat New York am Fuß des Adirondack Gebirges) bestimmten anfangs die äußeren Einflüsse ihrer Bilder. Und doch – hätte sie nur ihre New Yorker „Großstadtbilder“ geschaffen, wäre sie wohl eine von vielen geblieben. Entscheidend für sie war die „Entdeckung“ des US-Staates New Mexiko, wo sie sich zuerst zeitweise, später permanent niederließ. Hier fand sie – ungeachtet von vielen Reisen, die sie unternahm – das Zentrum ihrer Inspiration. Auf dieser Landschaft beruht auch das „Ur-Amerikanische“ ihres Schaffens, das immer wieder hervorgehoben und gepriesen wird. Tatsächlich gab es auch vor ihr herausragende amerikanische Landschaftsmaler, die aber zumindest formal immer den Blick nach Europa gerichtet hatten. Dass Georgia O’Keeffe es nicht tat, war ihre Stärke, trug in hohem Maße zu ihrem Ruhm bei.

Die selbst inszenierte Ikone Wer der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild von sich vermitteln möchte, kümmert sich am besten selbst darum. Georgia O’Keeffe war das sehr bald bewusst, Fotos begleiten ihr Leben, Stieglitz hatte großen Anteil daran, aber auch andere Fotokünstler wie Paul Strand, Ansel Adams und Edward Weston. Sich selbst in Aktfotos vorzustellen, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts sensationsträchtiger als heute, dem Lonely Cowboy des amerikanischen Mythos ein Lonely Cowgirl gegenüber zu stellen und damit gleichzeitig eine gleichwertige Position weiblicher Kunst zu postulieren, war äußerst geschickt. Sich auf eine „Ghost Ranch“ zurückzuziehen und damit natürlich auch mediales Interesse zu evozieren – Georgia O’Keeffe hat zweifellos am Ruhm ihrer Person (der sich dann rückbezüglich auf ihr Werk auswirkte) mitgearbeitet. Sie ist eine der teuersten Künstlerinnen der Welt, hat ein Jahrhundert Weltgeschichte mit zwei Weltkriegen erlebt, wird von ihren Mit-Künstlern als große Mutter verehrt…

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Von der Abstraktion in die Abstraktion Die Ausstellung (Kuratorin Heike Eipeldauer) geht im Prinzip chronologisch vor. Im linken Raum vom Eingang sind die frühen Werke zu sehen, darunter jene abstrakten Kohlezeichnungen, in denen Alfred Stieglitz das besondere Talent von Georgia O’Keeffe erkannte. Es ist interessant in dieser Ausstellung den Blick auf das Element des Abstrakten zu legen, von dem sie selbst sagte: „Abstraktion ist häufig die eindeutigste Form für das Unfassbare in mir selbst, das ich durch Malerei klären kann.“ Dazu gehört auch, dass die frühen Jahre der Georgia O’Keeffe von der amerikanischen Rezeption der Erkenntnisse Freuds geprägt wurden, das Unterbewusste, das Sexuelle, das alles auch aus ihrem Werk heraus zu interpretieren war. Immer wieder transzendiert ein Bild mit konkreter Benennung wie „From the Lake Nr. 1“ oder „Sky with flat white Clouds“ ins rein Abstrakte, und wüsste man nicht (weil Georgia O’Keeffe biographisch sehr gut aufgearbeitet ist) von ihrer späten Besessenheit von der Tür in ihrem Haus, man würde die Tore einfach nur als Quadrate im Raum nehmen.

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Die Blumen, die Landschaften, die Skelette Was einen Künstler ausmacht, zumindest in der Rezeption durch Kritik und Markt, ist Erkennbarkeit, ist ein Markenzeichen, ist etwas, das sich nur bei ihm findet. Georgia O’Keeffe macht es dem Betrachter vielfach leicht – ihre „Blumen“ (auch in unterschiedlichen Stadien der Abstraktion) sind unverkennbar legendär: Die Ausstellung bietet natürlich (auch als Plakat- und Katalog-Motiv) jene „Jimson Weed/White Flower No. 1“ aus dem Jahr 1932, die zum Paradigma der berühmten Blumenbilder von Georgia O’Keeffe geworden ist, darüber auch das teuerste Werk, das je von ihr verkauft wurde (über 44 Millionen Dollar). Ebenso singulär sind ihre Landschaften von New Mexiko, teilweise (auch in den Farben) so intensiv, dass man sie zum Meditieren benützen könnte. Und die ausgetrockneten Knochen und Geweihe, die sich in der Wüste finden und einen bedeutenden Themenstrang ihres Werks ausmachen, stehen jeglicher Interpretation offen. Die Wiener Ausstellung bietet von allem reichlich, und wenn man ein Auge dafür hat, kann man sich kaum satt sehen.

Bank Austria Kunstforum Wien, 1010 Wien, Freyung 8:
Georgia O’Keeffe
Bis 26. März 2017, Täglich von 10 bis 19 Uhr, Fr. bis 21 Uhr
Der Katalog von 272 Seiten ist im Prestel Verlag erschienen