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WIEN/ Krypta der Peterskirche: LIEDERABEND VIOLETTA KOWAL – „Ins Licht“

15.09.2021 | Konzert/Liederabende

Krypta in der Wiener Peterskirche: Liederabend Violetta Kowal – „Ins Licht“ (Vorstellung: 14. 9. 2021)

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Violetta Kowal begeisterte durch ihre eindrucksvolle Gestik und Mimik (Foto: adam.n.)

Nach den vielen Terminproblemen wegen der Corona-Pandemie fand am 14. September 2021 ein weiterer Liederabend der polnischen Sopranistin Violetta Kowal in der Krypta der Wiener Peterskirche unter dem Titel „Ins Licht“ statt. Schwerpunkt ihres Liederabends war diesmal der österreichische Komponist und Dirigent Felix von Weingartner, der aus der Vergessenheit ins Licht der Öffentlichkeit geholt wurde.

Zu Beginn des Liederabends erinnerte Violetta Kowal an die Komponistin Ruth Schönthal (1924 – 2006), deren jüdische Eltern aus Wien stammten, die mit ihr 1938 zuerst nach Stockholm emigrierten, bevor sie 1941 über die Sowjetunion nach Mexiko auswanderten. Sie galt als musikalisches Wunderkind, das schon im Alter von sechs Jahren am Sternschen Konservatorium studierte. Sie behielt bis an ihr Lebensende die österreichische Staatsbürgerschaft, selbst nach Annahme der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft. Ihr Oeuvre beinhaltet mehr als hundert Kompositionen, darunter auch Opern und Ballette. Violetta Kowal brachte aus ihrem „Wildunger Liederzyklus“ die „Angst der Verwandlung“ (Text von Lotte Kottek), wobei es ihr gelang, das „balladenhafte“ der Lieder wunderbar zur Geltung zu bringen.   

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Violetta Kowal begeisterte durch ihre eindrucksvolle Gestik und Mimik (Foto: adam n)

Im Anschluss daran widmete sich die Sängerin ihrem Landsmann Karol Szymanowki (1882 – 1937) und sang sehr gestenreich in polnischer Sprache vier Lieder aus Kurpien: „Reihen flogen“, „Drüben beim See dort“, „Eiche zu Fall gekommen“ und „Mutter, schau gut an“. Durch seine vielen Auslandsreisen lernte der polnische Komponist die Werke von Richard Wagner kennen, dem er neben Richard Strauss und Max Reger wesentliche Anregungen verdankte. Von 1910 bis 1919 ließ er sich in Wien nieder, wo er mit der Universal-Edition einen Vertrag über seine Werke auf Lebenszeit schloss. Von 1926 bis 1929 war er Rektor des Warschauer Konservatoriums, von 1930 bis 1932 Rektor der Musikakademie. Seine im Jahr 1926 komponierte Oper König Roger wurde erst kürzlich 2019 am Opernhaus in Graz mit Erfolg aufgeführt.

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Die Pianistin Carol Morgan und die Sopranistin Violetta Kowal (Foto. adam n)

Danach spielte die britische Pianistin Carol Morgan das Klaviersolo „Arabesques et adages“ von der finnischen Komponistin Kaija Saariaho (geb. 1952) auf virtuose Art und Weise. Von der Finnin wurden am Salzburger Landestheater 2014 das Einpersonenstück Emilie und am Musiktheater Linz 2015 die Oper L’amour de loin aufgeführt.

Den ersten Höhepunkt des Abends bildeten die Lieder des österreichischen Komponisten Felix von  Weingartner (1863 – 1942), Edler von Münzberg genannt. Er studierte in Graz und Leipzig und hatte bereits 1884 die Erstaufführung seiner Oper Sakuntala in Weimar unter Liszt. Er war Kapellmeister in mehreren deutschen Städten, ehe er im Jahr 1908 Gustav Mahlers Nachfolger an der Wiener Hofoper wurde. Von 1919 bis 1924 wurde er Direktor der Volksoper in Wien und 1935 / 36 erneut an der Wiener Staatsoper und galt als einer der führenden klassischen Dirigenten seiner Zeit. Er schrieb weitere neun Opern, wovon zwei (Die Dorfschule und Meister Andrea) in Wien uraufgeführt wurden. Seine anderen Opern kamen in Berlin, Leipzig und Darmstadt zur Uraufführung.

Das Notenmaterial zu seinen Liedern wurde in der Österreichischen Nationalbibliothek und in der Musiksammlung der Wien-Bibliothek im Rathaus gefunden. Violetta Kowal brachte sieben Lieder zum Besten, wobei zwei der Texte von Elisabeth, Kaiserin von Österreich, stammen: „Grüße“ und „Am Strand“. Aber auch die weiteren Verfasser der Lieder sind sehr bekannt: „Nebel“ von Nikolaus Lenau, „Reue“ von Emanuel Geibel und die Lieder „Einsam“, „Glück“ sowie „Abendsonne am Meer“ von Carmen Studer, einer Schülerin von Weingartner, die selbst Dirigentin war und schließlich seine fünfte Ehefrau wurde. Violetta Kowal sang diese Lieder mit großem Einfühlungsvermögen und brillanter Stimme. Ich denke, dass sie damit auch das Interesse des Publikums auf die Opernwerke des Komponisten  Weingartner geweckt hat.  Fast nicht zu glauben, dass keine Oper von ihm meines Wissens nach in den letzten fünfzig Jahren in Österreich aufgeführt wurde.

Im Anschluss an diese Lieder stand wieder ein Klaviersolo auf dem Programm: „Prayer Bell Sketch“ von Oliver Knussen (1952 – 2018).  Der schottische Komponist galt als Grundpfeiler der zeitgenössischen Musikszene in Großbritannien und war auch als Dirigent tätig. Der Pianistin Carol Morgan, die für die Liedsängerin Violetta Kowal eine ideale Begleiterin am Klavier darstellt, gelang es wunderbar, das dramatische Werk von Oliver Knussen in allen Nuancen klangvoll wiederzugeben. 

Beim zweiten Höhepunkt  des Liederabends interpretierte Violetta Kowal Bearbeitungen von sechs Volksliedern des britischen Komponisten Benjamin Britten (1913 – 1976), der als Englands einziger Opernkomponist von Weltgeltung nach Purcell angesehen wird. Nachdem sein Wunsch, in Wien bei Alban Berg zu studieren, am Widerstand seiner Eltern gescheitert war, wandte er sich 1935 eine Zeitlang der Filmmusik zu. 1939 emigrierte er mit seinem Lebensgefährten, dem Tenor Peter Pears, nach Amerika, wo 1940 sein erstes Bühnenwerk „Paul Bunyan“ entstand. Doch schon 1942 kehrten beide wieder nach England zurück. Er schuf unter anderem auch Kinder- und Kirchenopern und gilt als erster englischer Musiker, der mit dem Adelstitel eines Peer geehrt wurde.

Violetta Kowal sang die Volkslieder von Britten in englischer und französischer Sprache. Auf das schottische Lied „There’s none to soothe“ folgte die walisische Melodie „The Ash Grove“, danach die französischen Volkslieder „Il est quelqu’un sur terre“ und „Fileuse“ sowie die irische Melodie „The Salley Gardens“ und das Lied „Sailor-Boy“ (von

Appalachian Montains of Kentucky).  Die Bearbeitung für das Klavier besorgte Richard Walters.

Die polnische Sopranistin interpretierte die Volkslieder mit größtmöglichem Einsatz, der sich auch in der Gestik und Mimik der Sängerin bemerkbar machte. Es war ein großartiger Abschluss des Liederabends, der vom Publikum mit sichtlicher Begeisterung aufgenommen wurde. Der starke Applaus und die vielen „Brava“– Rufe „nötigten“ Violetta Kowal und Carol Morgan noch zu zwei Zugaben: „The Deaf Woman’s Courtship“ von Britten (Appalachian Volkslied) und „Du bist ein Kind“ von Weingartner (Text: Ernst Ziel).    

Man darf wirklich gespannt sein, mit welchen Ausgrabungen und Ideen Violetta Kowal bei ihrem nächsten Liederabend Ins Licht das Publikum überraschen wird.

Udo Pacolt

 

 

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