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WIEN/ Kammeroper: L’HEURE ESPAGNOL / LES MAMELLES DE TIRÉSIAS

17.06.2015 | Allgemein, Oper

Wiener Kammeroper:  L’heureespagnol / Les mamelles de Tirésias – 16.6. 2015


Vladimir Dmitruk, Natalia Kawalek. Foto: Barbara Zeininger

Zumindest den Einakter von Ravel „L’heureespagnol“ hat man noch in bester Erinnerung aus der Wiener Volksoper, wo er seinerzeit mit Orffs „Die Kluge“ im Doppelpack 2007 zu sehen war. Obwohl kürzer als die spanische Stunde, ist Poulencs erste Oper „Les mamelles de Tirésias“ in einen Prolog und zwei Akte gegliedert. „L’heureespagnol“ beruht auf dem gleichnamigen Einakter von Franc-Nohain, eigentlich Maurice Étienne Legrand (1872-1934), den Ravel 1906 in einem Pariser Theater gesehen hatte. Für „Les mamelles de Tirésias“ griff Poulenc auf das gleichnamige Drama von Guillaume Apollinaire (1880-1918) zurück, das er 1917 gesehen hatte.

Gelsomino Rocco, der musikalische Leiter der Produktion, hat nun für beide Partituren eine Kammermusikfassung erstellt. Es mag dahin gestellt sein, inwieweit sich diese Bearbeitung bei Ravel als eine Beschneidung seines Klangspektrums erweist und bei Poulenc mit seiner eher varietéhaften Musik ohne größere Einbußen möglich war. Die räumlichen Gegebenheiten in der Wiener Kammeroper und ihrem beengten Orchestergraben lässt eben nur eine kammermusikalisch zugeschnittene Fassung von Opern zu.

Wie aber verbindet man zwei so unterschiedliche Werke an einem Abend? Dazu fiel Regisseur Philipp M. Krenn die Verortung beider Kurzopern auf der Bühne bzw in der Theatergarderobe während der Generalprobe (Ausstattung: Uta Gesina Gruber-Ballehr) ein. Martin Knaupp besorgte die Lichtstimmung und Peter Hübelbauer die surrealistischen Videoeinspielungen im zweiten Teil des Abends. Das Personal der zweiten Oper agierte während des ersten Teiles des Abends als Theaterdirektor, Souffleuse, Bühnenarbeiter, etc. Zunächst erklärte der Regisseur bzw Theaterdirektor dem anwesenden Publikum, das es einer Probe beiwohnt und dieser Charakter der Probe wird leider auch während der Aufführung von „L’heureespagnol“ aufrechterhalten, indem der Regisseur mehrmals die Handlung unterbricht bzw szenische Anweisung gestikulierend erteilt. Nach der Pause befinden wir uns nicht im fiktiven Zanzibar, sondern in der Theatergarderobe. Hier wird  der Rollentausch der Geschlechter in dadaistisch absurder Weise vorgeführt. Dahinter verbirgt sich natürlich die homoerotische Neigung sowohl Apollinaires als auch Poulencs und ihre versteckte Forderung nach gesellschaftlicher Akzeptanz. 1947, als Poulencs Oper uraufgeführt wurde, war man noch weit entfernt von Themen wie Verpartnerung oder sexueller Selbstbestimmung und Begriffe wie Bi-, Cross- oder Transgender existierten noch gar nicht.

Diese sensiblen Themen wurden daher von Apollinaire und Poulenc gekonnt in die Form einer dadaistischen Groteske gegossen und zum Schluss ist natürlich die heile, heterosexuell ausgerichtete Weltordnung wieder hergestellt. Der Regisseur zeigt das dadurch eindrucksvoll, dass er das Schlusstableau von „L’heureespagnol“ noch einmal heraufbeschwört.

Gelsomino Rocco sorgte am Pult des Wiener Kammerorchesters für einen mediterranen, augenzwinkernden Schwung, mit dem er die impressionistisch gefärbte Musik Ravels und die varietéhafte Poulencs gekonnt zu einer Symbiose führte.


„Les mamelles de Tirésias“.  Ganya Ben-gur Akselrod. Foto: Barbara Zeininger

Natalia Kawalek war im Einakter von Ravel die feurige Uhrmachersgattin Conception mit kräftigem Sopran. Bei Poulenc übernahm sie dann noch die Rollen der Zeitungsverkäuferin, der eleganten und der dicken Dame. Julian Henao Gonzalez gab zunächst den Uhrmachermeister Torquemada mit zurückhaltendem Tenor, im zweiten Teil dann die beiden Rollen des Sohnes und des Journalisten.

Vladimir Dmitruk und Christoph Seidl waren im ersten Teil die Rollen der komischen Liebhaber von Conception, Gonzalve und Don Inigo Gomez, vorbehalten, die sie lustvoll auslebten. Nach der Pause traten sie als Lacouf und als Presto bzw.bärtiger Herr auf. Die Rolle des dümmlichen Postboten Ramiro stattete Tobias Greenhalgh mit kräftigem Bariton aus. Er war in beiden Stücken optisch der ideale Liebhaber, und trat im zweiten Teil als Gendarm und als Direktor auf. Die Israelin Gan-ya Ben-gurAkselrod, die als Skriptgirl bzw Souffleuse im ersten Teil stumm agierte, trat dann im zweiten Teil als operettenhafte Thérèse und als Kartenlegerin auf. Ihre Wandlung zum Mann hätte man optisch aber viel stärker gestalten können. Mit ihrem superben Sopran legte sie einige durchdringende Spitzentöne auf höchst amüsante Weise hin. Die Hauptrolle des zwischen den Geschlechtern changierenden Gatten gestaltete der australische Bariton Ben Connor mit sichtlicher Lust an der Travestie. Vor der Pause musste er noch störend das Publikum auf den Probencharakter der Aufführung hinweisen, in die er dann noch einige Male  durch verzichtbare „Regieanweisungen“ eingriff. 

Der von Erwin Ortner bestens einstudierte Arnold Schoenberg Chor verstärkte  als Bühnenpersonal die Aufführung nicht nur gesanglich.

Der Applaus fiel höflich aus und dauerte etwa fünf Minuten.                                                                                                            

Harald Lacina

 

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