Foto: Theater an der Wien / Herwig Prammer
WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
GLI UCCELLATORI von Florian Leopold Gassmann
Premiere: 22. März 2015,
Besucht wurde die Nachmittagsvorstellung am 12. April 2015
Da war einer zu seinen Lebzeiten berühmter als selbst Mozart, und heute vermöchte ein Opernfreund vermutlich kaum eines seiner Werke zu nennen, geschweige denn, dass er je eines gesehen hat. Wenn die Kammeroper des Theaters an der Wien mit ihrem jungen Ensemble nun ein Werk von Florian Leopold Gassmann (1729-1774) hervorholt, erfüllt man viele Aufgaben – nicht nur der Information, sondern auch der Ehrenrettung eines Künstlers, der vielleicht nicht dermaßen vergessen wäre, wenn nicht das Genie nach ihm alles verdunkelt hätte…
Gassmann, der es schaffte, in Wien Opernkapellmeister zu werden und der für Joseph II. eine Auftragsoper komponierte, als dieser König Friedrich II. traf (und der große Preußenkönig, der etwas von Musik verstand, schätzte das Werk sehr), hat mehr als zwei Dutzend Opern hinterlassen, wobei „Gli uccellatori“ 1759 in Venedig uraufgeführt und dann 1768 am Wiener Hof gezeigt wurde.
Es ist ein „dramma giocoso“ nach Goldoni, den Gassmann – wenn er nicht, wie die meisten anderen auch, ernsten Metastasio vertonte – als Librettisten besonders schätzte. Lange, bevor Mozart seinen Papageno schuf (ganz zu schweigen von Zellers Operette) stehen hier „Vogelhändler“ (die natürlich auch Vogelfänger sind) im Mittelpunkt, gleich drei, aber letztlich doch nur einer, denn in ihn sind alle drei Damen der Geschichte verliebt, geben es aber anfangs nicht zu.
Wäre es nur eine „Wer liebt wen?“-Komödie, die in den „unteren Kreisen“ spielt, hätte der Komponist zu wenige Möglichkeiten vorgefunden. Aber die Geschichte spießt sich interessant, wenn etwa die Gräfin des Stücks auch ihre Liebe zu dem Vogelhändler Cecco bekennt – und dieser, vernünftigerweise in das Kammermädchen der Gräfin verliebt, diese Gefühle zurückweisen muss… Da schwingt dann schon manches an Gefühlsverwirrung und Gefühlstiefe mit, wenn auch, wie bei Goldoni so oft, die Verkleidungsszenen etwa als „Richter“ und „Notar“ nicht fehlen (auch Da Ponte und Mozart haben das noch 1790 in der „Cosi“ mit einer maskierten Despina wiederholt) und auch das dreifache Happyend unabdingbar ist – wenn auch nur ein Paar sich wirklich liebt und die anderen dann halt nehmen, was sich bietet…
Es ist bemerkenswert, welche Fülle von frischer, elastischer, fröhlicher, hochgradig gekonnter, dabei nicht schematischer Musik Gassmann zu dieser Geschichte zu bieten hat: Seine Popularität bei Kaiser und Volk kam nicht von ungefähr, man verstand damals vermutlich mehr von Musik als heute (schon dank des Musikunterrichts an den Schulen), und es war keine unwürdige Konkurrenz, gegen die Mozart antrat. Allein, dies bewiesen zu haben, ist ein Verdienst des von Stefan Gottfried am Pult des Bach Consort Wien so schwungvoll geleiteten (und zusätzlich von ihm am Cembalo begleiteten) Abends.
Dass dieser so überdurchschnittlich, so ganz besonders ausfiel – tatsächlich eine der geglücktesten Musiktheaterproduktionen in Wien seit langem -, dankt man der englischen Regisseurin Jean Renshaw, die als Choreographin begonnen hat und diesem Abend eine geradezu „federnde“ Körpersprache gab (die von allen Interpreten hervorragend, präzise gemeistert wurde!). So wurde das Geschehen pointenreich quasi jene „Handbreit über dem Boden“ angesiedelt, die schon Max Reinhardt für erstrebenswert hielt. Das ist bewusstes, stilisiertes und dennoch nie formalistisches Theater, jede Figur hat ihr Eigenleben, und doch agieren alle im Sinne der Buffa wie Zahnräder, die sich fugenlos in einander fügen… Kurz, da waltet ganz besonderer Theaterverstand.
Die Ausstattung von Christof Cremer, fast keine Dekoration auf schrägem Bühnenboden, aber eine Fülle köstlicher, immer an das Thema „Vogel“ angelehnter Kostüme, bietet dazu Fetzenkarneval und doch Charakteristikum des Ganzen.
Die Figur eines „Uccello“, als eines Vogels schlechthin, wird in Gestalt des tschechischen Tänzers Martin Dvořák in perfekter Pantomimen-Manier hinzugefügt – man fragt sich manchmal, ob man nicht auch ohne ihn ausgekommen wäre, weil ja von den Sängern selbst darstellerisch so viel kommt und der weiße „Vogel“ gelegentlich ablenkt. Dann aber liefert Dvořák so hinreißende Passagen, so subversive Komik, dass man ihn nicht missen möchte.
Das „Junge Ensemble“ des Hauses mag zwar an Jahren jung sein, Anfänger sind sie alle nicht, einige sogar erstaunliche Könner. Besser denn je gefiel etwa Viktorija Bakan als die von Liebesnöten gequälte Contessa Armelinda, was sie auch im Leid humorvoll (und mit teils schönen Koloraturen) klar machte. Jenes Kammermädchen Roccolina, das ihr den Vogelhändler streitig macht, war bei Natalia Kawalek (die als „Richter“ verkleidet auch ganz schön näselte und quakte) in beste Mezzo-Töne gehüllt. Die dritte Dame des Stücks, Mariannina, ist zwar auch in der Funktion die dritte, aber Frederikke Kampmann, ein echtes, komisches Talent ließ sich mit beweglichem Sopran nicht unterbuttern.
Keine Frage, dass unter den drei Herren Vogelhändlern der Cecco des Tobias Greenhalgh den Vogel abschoß, ein markiger Bariton, eine gute Erscheinung, ein gewandter Darsteller. Immerhin darf auch der Tenor happyenden, und die schöne, kraftvolle, gut geführte Stimme Julian Henao Gonzalez (in der Rolle des Toniolo) hat es verdient. Übrig bleibt nur der intrigante Baß des Pierotto, wobei Christoph Seidl besonders possierlich mordlustig mit allem hantiert, was jemandem den Tod bringen könnte – und dennoch bleibt es vollinhaltlich komisch. So wie der lästige Liebhaber, der Marchese Riccardo, den Vladimir Dmitruk mit der schneidenden Stimme des Charaktertenors hinstellt und schließlich doch seine Contessa bekommt…
Die fast volle Nachmittagsvorstellung in der Kammeroper konnte ihre heitere Stimmung mühelos in den Zuschauerraum tragen und erntete reichen Applaus.
Renate Wagner
Noch eine Vorstellung am 14. April