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WIEN / Kammeroper: DER KAISER VON ATLANTIS

15.01.2017 | KRITIKEN, Oper

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper:
DER KAISER VON ATLANTIS von Viktor Ullmann
Premiere: 11. Jänner 2017,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 15. Jänner 2017

Da hat man sein Leben als anerkannter Komponist, Operndirektor, Dirigent verbracht, zahlreiche Werke geschrieben, die erfolgreich uraufgeführt wurden, und dann bricht der Wahnsinn aus: Viktor Ullmann, geboren 1998 in Österreichisch-Schlesien, war 44 Jahre alt, als er im September 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert wurde. Das Vorzeige-Lager der Nazis, aber dennoch realistischerweise täglich mit dem Tod vor Augen. Ullmann war bei der „Freizeitgestaltung“ eingesetzt, komponierte noch eine Oper, bevor er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Welche Art von Oper schreibt man im Konzentrationslager?

Das ist das Besondere an „Der Kaiser von Atlantis“, eine seltsame Parabel darüber, dass der Tod dem „Kaiser“ (dem Führer, dem Diktator) die Gefolgschaft verweigern sollte. Freilich, so wirklich „ideologisch“ klar ist die knapp einstündige Oper, deren Text Ullmann zusammen mit Mitgefangenen Peter Kien verfasste, nicht wirklich, darum ist sie auch nicht leicht zu realisieren. Eine lockere Szenenfolge bringt eher unzusammenhängend scheinbar reale und allegorische Figuren auf die Bühne, der Kaiser will Krieg, will töten lassen, und als der Tod sich verweigert, opfert er sich am Ende selbst (?), damit dieser seinen „Streik“ beendet. Wie inszeniert man das?

Allein die Ausstattung (Susanna Boehm) zeigt, wie Regisseur Rainer Vierlinger sich das für die Kammeroper des Theaters an der Wien vorgestellt hat: als absurde Situation, der Sandhaufen, der den Bühnenboden bedeckt, ist Beckett pur, ein Baum, der anfangs hochgezogen wird und sich am Ende wieder herabsenkt, scheint die sich verabschiedende und wiederkehrende Natur zu sein (allerdings ist er völlig dürr und blätterlos), die Figuren sind als „Kaiser“ durch bunte Uniform, als Soldaten erkennbar, ein „Abstrakter“ („Lautsprecher“) erscheint als Mensch, die Handlung wird nicht weiter beschwert.

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Zu den Zwischenspielen und auch sonst gelegentlich laufen im Hintergrund abstrakte Videos (Cosimo Miorelli), und erst ganz am Ende entledigen sich die Darsteller ihrer Überkleider und stehen in KZ-Sträflings-Uniformen da, während auf dem Video die Schlote rauchen… das ist gewissermaßen die Reverenz des Regisseurs zur Entstehung des Werks. Im übrigen hat er ein etwas wirres Gleichnis, das nicht zuletzt durch seine interessante, nie wirklich schwierige Musik wirkt, gleichnishaft-absurd auf die Bühne gebracht.

Das Wiener Kammerorchester unter der Leitung Julien Vanhoutte trägt den Abend, da es die Sänger leider nicht tun: Ehrlich gestanden wirkt das ganze Ensemble mit Ausnahme von Frederikke Kampmann und Julian Henao Gonzalez, deren Duett ergreifend schön ist, als hätte man es mit Schüler-Nachwuchs zu tun – so überfordert klingen die hier eingesetzten Sänger. Etwas mehr kann man von der Kammeroper als professionellem Unternehmen schon erwarten.

Eine dicht gefüllte zweite Vorstellung wurde vom Publikum stark akklamiert.

Renate Wagner

 

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