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WIEN / Jüdisches Museum: HOROWITZ. 50 JAHRE MENSCHENBILDER

Horowitz Qualtinger
Alle Fotos: Michael Horowitz / Jüdisches Museum

WIEN / Jüdisches Museum / Museum Judenplatz:
HOROWITZ. 50 JAHRE MENSCHENBILDER
Von 2. Dezember 2016 bis zum 28. Mai 2017

Der genaue Blick

Helmut Qualtinger mit Fliegerbrille. Thomas Bernhard am Fahrrad. Oskar Werner sinnend im Kaffeehaus. Andre Heller als wuschelhaariger Jungspund im Gespräch mit Peter Alexander – die jüngste Ausstellung des Jüdischen Museum, in der Dependance am Judenplatz veranstaltet, wird viele Fans finden, zumindest unter der älteren Generation. Denn da blättern sich, wie im Titel „50 Jahre Menschenbilder“ versprochen, ein halbes Jahrhundert „Wiener“ Gesichter auf. Eingefangen hat sie die Kamera eines Mannes mit dem richtigen Blick. Sein Name ist Michael Horowitz, und viele, viele Jahre lang kannte man ihn auch und vor allem als den Journalisten, der das Kurier-Magazin kreiert hatte und betreute. Da kam in der Öffentlichkeit seine Profession als Fotograf gar nicht so stark zu Bewusstsein. Dem hilft diese Ausstellung, die Direktorin Danielle Spera persönlich kuratiert hat, ab.

Von Heiner Wesemann

Horowitz O.Werner

Michael Horowitz Seine Vorfahren kamen aus einem Galizischen Städtel nach Wien, seine Großmutter gehörte zu jenen, die den Fluchtweg nicht in Richtung Westen, sondern nach Osten nahmen und in Shanghai überlebten. Sein Vater Oskar Horowitz (verheiratet mit einer Berlinerin) arbeitete nach seiner Rückkehr als Fotograf, geschätzt vor allem für seine Fotos aus Wiener Theatern, und von Sohn Michael gibt es schon ein Bild, das ihn als kleinen Jungen mit Kamera zeigt. Und bedenkt man das Geburtsdatum 1950, dann hat Michael Horowitz mit dem „professionellen“ Fotografieren mit 16 Jahren angefangen – erst als „rasender Reporter“ und Freund der Berühmten. Später, nach einer längeren Pause, als Reisender in aller Welt. Daneben allerdings hatte er noch zahllose Berufe, u.a. wie erwähnt als Zeitungsmacher sowie als Autor von Drehbüchern, ebenso als Biograph von Persönlichkeiten wie Doderer, Kisch oder Karl Kraus bzw. jenen Künstlern, die seine Freunde waren wie Qualtinger oder Artmann. Dass er auch Verleger ist, kommt dem Katalog des Jüdischen Museums zugute, der im eigenen Horowitz-Verlag erscheinen kann.

Schwarzweiß in die Vergangenheit Michael Horowitz kann von seiner persönlichen Beziehung zu Wiener Künstlern viel erzählen – und da er nicht nur Bilder macht, sondern auch schreibt, ist ein Erinnerungsband daran fällig. Es bedurfte schon besonderer Nähe, eines eigenen Vertrauensverhältnisses, damit sich die ungewöhnlichen Motive ergaben, die viele der Menschenbilder zeigen. Wobei Thomas Bernhard auf dem Fahrrad auf persönliche Aufforderung des damals noch gar nicht so berühmten Dichters entstand – und seither ein Kultfoto wurde…

Horowitz Bernhard

Bunter Blick in die ganze Welt Die von Horowitz lange Jahre betreute Freizeit-Beilage des Kuriers war berühmt für ihre ausführlichen Reiseberichte mit oft großartigen Fotos. Natürlich waren nicht alle von ihm, aber die Ausstellung beweist, dass er in einer „zweiten Karriere“ als Fotograf sehr viel gereist ist. Und auch in aller Welt, nun bunt, Menschenbilder „geschossen“ hat: in Europa, den USA und Asien, unvergessliche Gesichter, aber auch skurrile Szenen (im Diamantenviertel von Antwerpen blickt ein orthodoxes, bärtiges Judengesicht unter einem Motorradhelm hervor), Armut, Traurigkeit, ganze Schicksale komprimiert (der alte Mann im Basar von Istanbul, der die bunten Büstenhalter verkauft, die hinter ihm hängen).

Mehr als Ästhetik Wenn es beim Foto auf den „richtigen Augenblick“ ankommt, so hat Michael Horowitz oft genug genau dann abgedrückt, aber diese Bilder dienen nicht nur der Nostalgie, der Stimmung oder der Schönheit (wie das faszinierende geschminkte Frauengesicht unter dem roten Kopftuch aus Istanbul). Er hat auch ein „politisches“ Auge auf Situationen, die hintergründig von Schmerz und Elend erzählen – wenn er nicht ohnedies ganz genau das ausdrückt, was mit einem Bild zu sagen ist: Demos gegen Vietnam, gegen den neuen Rechtsruck (mit Hakenkreuzfahnen), und selbst der aktuellste Wahlkampf ist noch dabei – vor dem Plakat von Norbert Hofer wogt eine Menschenmenge seiner Wähler, die Bierdose wird geschwungen, was dem Foto eindeutige satirische, gewissermaßen Deix’sche Qualität verleiht.

Museum Judenplatz:
HOROWITZ. 50 JAHRE MENSCHENBILDER
Bis 28. Mai 2017
1010 Wien, Judenplatz 8,
von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, Freitag von 10 bis 17 Uhr