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WIEN / Drachengasse: ATMEN

11.01.2016 | KRITIKEN, Theater

MacMilllan Drachengasse
Foto: Theater Drachengasse

WIEN / Drachengasse:
ATMEN von Duncan Macmillan
Premiere: 11. Jänner 2016

Wer sich bei dem Namen des britischen Autors Duncan Macmillan nur an die wirklich missglückte Handke-Dramatisierung von „Wunschloses Unglück“ erinnert, die im Kasino des Burgtheaters durch ihren Unverstand so belästigt hat, wird vielleicht a priori keine großen Sympathien hegen. Wenn Autor Macmillan allerdings nur als er selbst erscheint, dann ergibt sich in der Drachengasse Erstaunliches: In nur eineinviertel pausenlosen Stunden schafft er es, in „Atem“ das Lebenskonzept eines heutigen Paares (samt Scheitern) auf die Bühne zu bringen.

Diese Bühne ist ganz leer und dennoch, ebenso wie die in Schwarz und Weiß gehaltenen Kostüme, von Alexandra Burgstaller sehr bewusst gestaltet: Ein scharf abgezirkeltes weißes Dreieck im Raum, das die Personen quasi einsperrt, auch wenn es keine künstlichen Mauern gibt. Es ist völlig leer, alles, was diesen Abend ausmacht, muss von den beiden Darstellern kommen – bzw. von der Regie. Der Text ist, wenn man ihn liest, zweifellos „fragmentarisch“. Die Übergänge erfolgen blitzschnell, von einer Sekunde zur anderen, und müssen allein mit Körpersprache bewältigt werden, so dass der Zuschauer immer weiß, in welcher Situation sich die Protagonisten befinden. Keine leichte Übung, virtuos bewältigt mit Hilfe von Regisseurin Christine Wipplinger.

Anfangs hat man den Eindruck, dem Autor ginge es um eine Satire auf die heutigen Gutmenschen. Da überlegt ein noch nicht verheiratetes Paar die Möglichkeit, ein Kind zu bekommen – und ihnen fallen nur die ganzen umweltschonenden Argumente „dagegen“ ein: Jeder Mensch belastet schließlich die Ökonomie und Ökologie des Planeten, das Beste, was man tun kann, wäre, sich umzubringen. Dass man nicht fliegt, Rad fährt, beim Zähneputzen das Wasser nicht laufen lässt und die gute Absicht hat, Bäume zu pflanzen, sind ja nur Tropfen auf den heißen Stein. Sie sind wirklich drollig, diese grün-linken Jungen, die gar nicht zum Leben kommen, weil sie dauernd über ihre eigenen Ansprüche und Vorgaben stolpern…

Aber das Stück will dann doch mehr als bloß die Satire. Unser Pärchen erlebt ein wildes Auf und Ab von Gefühlen und tatsächlichen Lebenssituationen (anschreien tun sie sich dabei meistens). Am Ende, wirklich ziemlich am Ende, gibt es doch ein Kind – und von der Geburt bis zum Tod des Mannes (bzw. die Frau bereits an seinem Grab, zu ihm im Jenseits sprechend) vergehen kaum ein paar Minuten. Und dennoch hat man eine ganze Geschichte vor sich. So richtig gelungen, das spürt man, sind diese beiden Leben doch nicht. Dabei haben sie es so gut gemeint. Was so komisch begann, endet traurig – mit einem Klotz im Hals…

Zwei Schauspieler springen geradezu auf einander los – Paola Aguilera tut es noch um einen Grad entschlossener, gespannter und brillanter (ist aber auch vom Autor besser bedacht) als Astrit Alihajdaraj. Beide müssen in dem kleinen Raum manchmal zu schnell, zu Atem beraubt und zu laut sein, da geht dann das eine oder andere akustisch verloren. Dafür versteht man jede Situation, auch wenn der Autor nicht nur die Darsteller, sondern auch die Zuschauer regelrecht „jagt“.

Das ist ganz ohne Frage ein Stück, das sich bei aller Kürze auszahlt. Und die Aufführung erst recht.

Renate Wagner

 

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