Wien/Cineplexx-Kino Wien Landstraße: MET IM KINO MIT HOCHKARÄTIGEM „UN BALLO IN MASCHERA“ VON GIUSEPPE VERDI am 8.12.2012
Der Countdown zum Verdi-Wagner-Jahr 2013 beginnt zu Greifen. Die Met in New York liefert jedenfalls einen hochkarätigen neuen Maskenball und erntete Zustimmung für Besetzung und Szene – und das will heutzutage viel heißen. Und nächste Woche geht’s mit einer Aida-Gala weiter. Doch bleiben wir beim „Ballo“ , der nicht zuletzt durch das einfühlsame Dirigat von Fabio Luisi geprägt wird. Der Nachfolger von James Levine, der seine Karriere in Wien startete, ist drauf und dran, zum idealen Met- Repertoire-Dirigenten zu werden. Er ist kein Architekt der Klänge und auch kein Selbstdarsteller – aber er atmet mit den Sängern, er hilft und unterstützt und arbeitetet offenbar in der Tradition des guten „Kapellmeisters“ mit seinem Team und dem Met-Orchester vor allem angstfrei. Großartig die Zusammenarbeit mit Gustavo, der von Marcelo Alvarez souverän und einfühlsam gegeben wurde. Für mich hat der argentinische Tenor gegenwärtig die ideale Verdi-Spinto-Stimme, er muss nicht forcieren, die Höhen sind sicher, das Piano könnte mehr „schweben“ – aber alles in allem ist es Belcanto pur und erinnert mich an Placido Domingo und sogar an Carlo Bergonzi! Fabio Luisi steigerte aber nicht nur die Leistung des Tenors. Auch US-Sopranistin Sondra Radvanovsky (die die ursprünglich vorgesehen Karita Mattila ersetzte) wuchs im Laufe des Abends als Amelia über sich hinaus. Nach der fast unsingbaren Galgenarie avancierte das große Liebesduett zum ersten Kernstück einer Aufführung, in der auch Renato alias Dmitri Hvorostovsky als Dritter im unglücklichen Bunde reüssierte. Vor allem im „Eri tu“ spielte der russische Bariton seine Qualitäten voll aus – dramatischer Impetus und lyrische Klangschönheit. Noch selten war das Gegensatzpaar so in einer Kehle vereint.
Gediegen war die Ulrika von Stephanie Blythe, etwas steif der Oscar von Kathleen Kim, souverän die beiden Verschwörer Richling und Horn: sie wurden von den US-Bässen Keith Miller und David Crawford eindrucksvoll dargestellt. Ausgezeichnet sang der Met-Chor.
Womit wir zur Inszenierung von David Alden und der Ausstattung von Paul Steinberg (Bühnenbild) und Brigitte Reiffenstuel (Kostüme) kommen: nach etwas kühlem Beginn beginnt man die Produktion immer mehr zu schätzen. Man kann dieses „Traumspiel“ nicht logisch erklären – die barocken Ikarus-Deckengemälde kollidieren doch zu deutlich auf der Ebene der Kostüme aus der Zeit rund um den 1.Welkrieg. Aber die seelischen Qualen, die hier zwischen Gustavo und Anckarström bzw. seiner Frau nachvollziehbar werden lassen, machen diesen hochkarätigen Ballo zu einem gelungenen Beispiel modernen Verdi-Deutung. Und zu einem Modell für musikalische Qualität, die auch moderne Personenführung zulässt. Die Met zeigt offenbar wie es gehen kann.
Peter Dusek