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WIEN / Burgtheater: DIE EDDA

20.10.2019 | KRITIKEN, Theater


Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Burgtheater:
DIE EDDA
Neu erzählt von Thorleifur Örn Arnarsson & Mikael Torfason
Produktion: Schauspiel Hannover
Wiener Premiere: 19. Oktober 2019

Der dichte Premierenreigen des Burgtheaters hält an, allerdings ist nicht alles ganz „echt“. Die Produktion der isländischen Saga „Die Edda“ durch ihre Landsleute Thorleifur Örn Arnarsson und Mikael Torfason gab es schon in Hannover. Sie kam nun, preisgekrönt mit dem renommierten deutschen Theaterpreis „Der Faust“, nach Wien. Allerdings hat man für die Übernahme großteils aus dem Ensemble besetzt, aber das Konzept stand.

Dieses wollte gleich zu Beginn mystisch mit Schöpfungsmythen beeindrucken, indem man den Zuschauerraum erst einmal unter „Nebel“ setzte (dergleichen kann das Kino, wie man weiß, immer viel besser). Das klappte allerdings auf Anhieb nicht so gut, denn das Trockeneis (oder was immer man verwendet) mit dem vagen Weihrauchgeruch kann empfindliche Menschen beengen. Passierte sofort. Der Herr, der aus dem Zuschauerraum stürzte und vom Billeteur wissen wollte, wann der Nebel weggehe, musste sich sagen lassen, dass er wohl auf die Aufführung verzichten müsse – der Nebel sei für den ganzen dreieinviertelstündigen Abend vorgesehen. Als dann noch eine Dame kollabierte, überlegte man es sich und drehte ihn zurück. Der Rest des Publikums war dankbar, die Atem- und Sicht-Belästigung durch die Schwaden los geworden zu sein… ein Burgtheater-Abend soll ja nicht unbedingt krank machen.

Immerhin hat es Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson auf große Effekte angelegt. Eine schöne, milde Stimme beginnt auf Isländisch zu rezitieren, eine deutsche Stimme gesellt sich dazu, beide nach und nach einander so laut überschreiend, dass man absolut nichts versteht. So vergeht die erste Viertelstunde.

Die Bühne von Wolfgang Menardi, die gewaltig viel an Verwandlung leistet, wird anfangs nur von den variablen, beweglichen Leuchtstoffröhren „bespielt“, während seltsame Geschöpfe, kaum als Silhouetten erahnbar, nun akustisch verständlicher, wenn auch sehr verwirrend zu erzählen versuchen, wie das so war im nordischen Kosmos, wobei man sich an die Namen hält, die man – danke, Richard Wagner – kennt: Odin (unser Wotan), Gattin Frigg, Bruder Loki, dazu Freya, Thor, Riesen und Zwerge gibt es auch und noch einiges mehr, was es variiert in den „Ring des Nibelungen“ geschafft hat (Drache Fafner als Verwandter der Midgardschlange?).

Kurz gesagt, es bleibt immer noch verwirrend – und siehe da, eines der vielen abenteuerlichen Kunstgeschöpfe, die da die Bühne bevölkern (teils von Karen Briem in Körper-Nackt-Bodies gekleidet, was sie ziemlich kläglich macht), tritt hervor und bietet sich als Moderator an (Dietmar König, der im Lauf des Abends noch einige andere Rollen spielt, macht das ganz witzig). Der plötzlich so extrem komödiantische Zugang wirkt nicht wirklich sinnfällig, ist aber wohl dazu gedacht, dem Publikum das Leben zu erleichtern.

Und nun bekommt man dies und das vorgespielt. Man muss zusehen, wie Odin (Markus Hering, eher mikrig und keinesfalls Zentrum des Geschehens) sich ein Auge ausreißt, wie Loki (Florian Teichtmeister im silbernen Glitzerlook und einem Hauch Exzentrik) angehalten ist, Thor zu helfen, wenn die Riesen diesem den Hammer gestohlen haben – für dessen Rückgabe wollen sie Freya (also, die ist bei Wagner als Preisgeld für Walhall schon höher veranschlagt). Immerhin wird es nicht nur parodistisch gespielt, sondern auch ziemlich lustig, wenn Thor statt Freya als Braut auftaucht…

Von den vier heimischen Damen des Abends hat nur Marie-Luise Stockinger, die sich von einer blonden Sirene in Thor verwandelt, eine wirklich starke Rolle geangelt. Andrea Wenzl, mehr denn je in Stimme und Körpersprache ein (bewusster?) Klon der Minichmayr, gibt die Freya vordergründig verführerisch. Frigg, sprich Fricka, bekommt in Gestalt von Dorothee Hartinger wenig zu tun (in einer Szene erinnern sie und Odin sich an den „Apfel“, als wären sie Adam und Eva aus dem Paradies gewesen), und auch Mavie Hörbiger bringt es in drei Rollen (und meist bis zur Unkenntlichkeit verkleidet) nicht weit. Marta Kizyma spielt als Schlange ein bisschen Cello (sie muss es nicht gut können), und Stefanía Ágústsdóttir kann die Aussprache der Kollegen verbessern, wenn es um Isländisch geht. Achtung, Pointe!

Schließlich ergänzen noch Stacyian Jackson und Jan Bülow das Ensemble, auch sie im allgemeinen Chaos untergehend, und Gabriel Cazes zeichnet für die permanente Live-Musik, die dann stellenweise ohrenbetäubend wird, verantwortlich.

Hat man im ersten Teil noch immer wieder Szenen angespielt, ist man im zweiten offenbar bei der Lieder-Edda mit ihren Geschichten gelandet, die von den Bearbeitern bis in die Gegenwart hinauf geführt werden. Hier dreht sich nun ein schiffartiges Konstrukt (das ein bißchen an „Les Miserables“ erinnert) ununterbrochen, und die Darsteller sagen ihren Text auf, aus dem Mikro, so dass man sie oft nicht orten kann. Das wird dann ein bißchen trocken.

Wichtiges wird nicht mehr erzählt, also versäumt jener Teil des Publikums, der sich in der Pause abgesetzt hat, nicht allzu viel. Überhaupt passen szenisches Chaos (das ein bisschen an gute, alte Happenings erinnert, wo es auch nicht darauf ankam, was warum passiert, Hauptsache, man kennt sich nicht aus) und der Anspruch, hier eine der großen Menschheitsüberlieferungen präsentiert zu bekommen, kaum zusammen.

Fazit: Was diese „Edda“ auf der Bühne des Burgtheaters aussagen will, bleibt hochgradig unklar. Aber Theater wird gemacht, daran besteht kein Zweifel.

Renate Wagner

 

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