
Peter Doss und Ekaterina Doss-Hayetskaya. Alle (Handy-)Fotos: Manfred A. Schmid
WIEN / Altes Rathaus: EKATERINA HAYETSKAYA singt Lieder und Arien vonTschaikowsky
25. Jänner 2023
Von Manfred A. Schmid
Das Künstlerehepaar Ekaterina Doss-Hayetskaya und Peter Doss lädt im Barocksaal des Alten Rathauses zu einem Konzert mit Liedern und Arien von Peter Iljitsch Tschaikowsky. Das anspruchsvolle Programm wird von Doss, der diesmal nicht als Sänger in Erscheinung tritt, sondern seine Frau Ekaterina einfühlsam am Fazioli-Flügel begleitet, mit kurzen Einführungen zu einzelnen Nummern oder Programmblöcken erläutert. Eine hilfreiche Orientierung, denn obwohl Tschaikowsky mit Mussorgsky und Rachmaninow zu den führenden russischen Komponisten von Liedern, gerne auch als „Romanzen“ bezeichnet, zählt, die inzwischen immer öfter auf dem Programm von Liederabenden stehen – wie zuletzt etwa in Asmik Grigorians Liederabend bei den Salzburger Festspielen 2023 – ist sein Liedschaffen, das immerhin mehr als 100 Lieder umfasst, bei weitem noch nicht so vertraut wie seinen Opern Eugen Onegin und Pique Dame. Nach der Pause gibt es dann auch exquisite, von dramatischer Leidenschaft und extremen Gefühlswallungen geprägte Kostproben aus beiden Opern. Da die aus Moldawien stammenden Ekaterina Hayetskaya mit ihrem fein timbrierten lyrisch-dramatischen Sopran eine starke Vorliebe für dieses Metier hat, gibt es davor aber auch schon zwei Arien aus nicht so bekannten Werken des Meisters zu hören. Ein Abend, der die weite russische Seele musikalisch auslotet, in der verschwenderisch ausgestatteten Miniaturform von Liedern sowie in konzertanten, ausdrucksstark und packend dargebotenen Opernszenen.
Den Beginn machen sechs ausgewählte, natürlich in russischer Sprache gesungene Lieder Tschaikowskys, von denen insbesondere das geheimnisvoll-düstere „Inmitten des Balles“ die großartigen Erzählungskunst von Ekaterina Hayetskaya offenbart. Berührend auch ihre Gestaltung des Liedes „Warum sind den die Rosen so blass?“ nach einem Gedicht von Heinrich Heine, in dem die Grabesstille geschildert wird und man nicht sicher ist, ob es sich dabei um die Trauer für einen Toten oder um eine vergangene Liebe handelt. Hayetskaya verfügt über eine schön klingende Sopranstimme, die in der Höhe vor allem in den Pianissimo gesungenen Passagen voll zur Wirkung kommt und sich auf eine ausgewogene, farbenreiche Mittellage stützen kann.
Auch in den anschließenden Opernarien ist die musikalische Gestaltung ausgefeilt und wird von der Sängerin durch eine dazu passende, nie übertriebene Gestik und Mimik eindrucksvoll und nachhaltig ergänzt. Die Arie der Jolanthe aus Tschaikowskys gleichnamigen Einakter macht neugierig auf diese selten gespielte Oper, die an der Volksoper Wien 2022 in einem etwas merkwürdigen Mischmasch, verwoben mit dem Ballett Der Nussknacker, zu sehen war. Kaum bekannt ist auch die tragische Oper Die Zauberin, aus der eine Arie der Kuma dargeboten wurde. Kuma, auch Nastassia genannt, ist ist in Wahrheit aber gar keine Hexe, sondern eine freiheitsliebende Frau mit starker Ausstrahlung. Gerade Letzteres macht Ekaterina Hayetskaya zu einer idealen Interpretin dieser Rolle.
Den Schlussteil bestreitet die Sopranistin mit zwei Arien der Lisa aus Pique Dame und mit der berühmten und herausfordernden Briefszene der Tatjana aus Eugen Onegin. Hier ist sie ganz in ihrem Element und bewältigt die emotionale Berg- und Talfahrt einer verliebten jungen Frau mit dem bravourösen Totaleinsatz ihrer stimmlichen und gestalterischen Fähigkeiten. Und Peter Doss am Klavier ersetzt ein ganzes Orchester.
Viel Applaus und ein fein ausgewähltes musikalisches Kleinod als Zugabe; Fanny Mendelsohns Vertonung des zuvor in der Tschaikowsky-Version gehörten Heine-Gedichts „Warum?“