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WIEN / Akademietheater: DER WEIBSTEUFEL

24.09.2019 | KRITIKEN, Theater


Fotos: Hans Jörg Michel

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
DER WEIBSTEUFEL von Karl Schönherr
Wiederaufnahme: 22. September 2019,
besucht wurde die Vorstellung am 23. September 2019

Natürlich kann man einen Theaterspielplan nicht nur mit Premieren bestücken. Das Burgtheater des Martin Kusej ist noch keine zwei Wochen alt und muss auch auf Vorhandenes (aus der Ära Bergmann) zurückgreifen, bringt Eigenes aus München – und hat im Fundus des Hauses eine geradezu legendäre Aufführung gefunden, die sich mühelos und mit nur einer Neubesetzung revitalisieren ließ: Und von der ersten Sekunde sind die Wiener, ihrer besten Erinnerung folgend, in Schönherrs „Weibsteufel“ geströmt.

Das Drei-Personen-Stück des Tiroler Autors ist – zu Recht – sein berühmtestes geblieben. Hier hat Karl Schönherr (1867 – 1943) nicht auf eines jener Themen zurückgegriffen, vor deren Pathos (bei aller Berechtigung der Thematik) wir zurückschrecken: „Erde“ oder „Glaube und Heimat“. Hier geht es um den ewigen und elementaren Machtkampf Mann und Frau, um Unterdrückungsmechanismen und grausame Befreiungsschläge, um Manipulation und die Kraft der Sexualität.

An sich spielt das in einer Tiroler Bauernstube. Nicht natürlich bei Martin Kusej, der Stücke gern in abstrakte Rahmen stellt und ebenso auf ihre psychologische wie ihre metaphysische Kraft vertraut. Gelegentlich überdreht er auch gerne, bis es noch mehr schmerzt, als der Autor es gemeint hat. „Der Weibsteufel“, so wie er auf den Baumstämmen herumbalanciert, die Martin Zehetgruber auf die Bühne gestellt hat, ist ein Psychothriller, vor dem man sich stellenweise geradezu fürchtet.

Diese Aufführung hatte vor ziemlich genau elf Jahren, im September 2008, an ebendiesem Ort Premiere. Dass zwei der drei damaligen Darsteller entsprechend älter geworden sind, schadet überhaupt nicht. Dass einer neu dazu gekommen ist, verändert Akzente auf das interessanteste. Das ist übrigens auch ein Geheimnis des „Weibsteufels“: Obwohl Schönherr die Psychologie der drei Personen vorzugeben scheint, ist dabei noch unendlich viel Freiraum für individuelle Interpretation. Dass diese bei Kusej kalt und hart, stellenweise satirisch und humorvoll, aber nie pathetisch oder gar brünstig ausfällt… das ist seine Handschrift.

Es geht um den alten, gebrechlichen Mann, den jungen, starken Grenzjäger und die Frau zwischen ihnen. Und es ist ihr Abend, jener der Birgit Minichmayr. Zu Beginn scheint sie wie ein Geschöpf ohne Eigenschaften da zu hocken. Die Frau, die den Alten aus Versorgungsgründen geheiratet hat und keinen Grund findet, sich zu beschweren. Ein Geschöpf scheinbar ohne Gefühle. Wie sich das in den eindreiviertel pausenlosen Stunden wandelt, wie sie – tirolerisch herb, wenn auch der Dialekt nicht gesprochen wird – Gefühle in sich hineinfrisst, sie aber zutiefst erlebt, das nimmt geradezu minütlich an Intensität zu. Die Frau, die sich von zwei Männern manipuliert erkennt, in die Gefühlsfalle tappt, diese wieder abschüttelt und zur Rächerin und Täterin wird – das Ende, wenn sie die beiden Männer gegeneinander aufhetzt, in der Hoffnung, dass einer von ihnen tot zurückbleibt: Da kommt kein Krimi an Spannung mit… Der Exhibitionismus, der Mutwillen, die Kraft der Minichmayr sind etwas, das man gesehen haben muss.

Wieder ist Werner Wölbern (demnächst als Kusejs Faust in Wien) der Mann. Nein, er entspricht nicht der Beschreibung, er ist nicht alt, gebrechlich, körperlich widerlich (darum ist auch Schönherrs Ausdruck vom „Saugflaschenmandl“ gestrichen). Aber er ist tückisch, er ist ein Macho, die begehrte Frau ist Besitz, nicht echtes Liebesobjekt. Er ist jemand, der auftrumpft, der kämpft, jemand, gegen den man rebellieren kann.

Einst war Nicholas Ofczarek der junge Grenzjäger, vor elf Jahren entsprach er als Kraftlackl der Rolle, wenn er sie auch nicht in aller Brutalität ausspielte. Für die Ära Kusej hat er sich weitgehend karenzieren lassen (für die „Mephisto“-Aufführungen kehren er und der hinausgeworfene Fabian Krüger gelegentlich auf die Bretter zurück), den Grenzjäger wollte er offenbar nicht wieder spielen.

 

Eine gute Gelegenheit für Tobias Moretti, in einer großen starken Rolle gleich zu Beginn der neuen Ära präsent zu sein, auch wenn er weder der Beschreibung von Jugend noch kraftvoller Stärke entspricht. Aber das ist egal – denn er sieht die Figur richtig. Als den anständigen, im Grunde unaggressiven Mann (sonst würde er ja auf Wunsch der Frau sofort zum Mord an dem Gatten schreiten), der natürlich – Mann ist Mann – verführbar ist, ja, der sich in den Fängen von Gefühl und Leidenschaften finden kann. Und untergeht. Moretti hat viele leise Töne, einigen Humor, einen festen Kern. Er ist der vollwertige Dritte im Bunde.

Das Publikum war zuerst atemlos, dann lautstark begeistert.

Renate Wagner

 

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