WENN MÖBEL ERZÄHLEN
Vom „K. u. k. Hofmobilien- und Material-Depôt“ zum Möbel Museum Wien, 1899-1998
212 Seiten, Böhlau Verlag, 2014
Es kommt auch auf das Ambiente an: Die imperialen Möbel, in denen Romy Schneider Sissis Schicksal erlitt, waren echt. Damals, in der jungen Zweiten Republik, war die Habsburger-Nostalgie – die ja durch die Sissi-Filme erst voll angestoßen wurde – zumindest in den österreichischen Ministerien noch nicht verbreitet. Es gab sicher Beamte, die das ganze Möbelzeug aus Kaisers Zeiten am liebsten weggeworfen hätten. Es an den Film zu vermieten, war eine Möglichkeit. Bald stattete man damit stolz die Amtssitze aus – und eine chinesische Politikerin, in die Habsburger-Pracht beim Bundespräsidenten gestellt, sagte nur verzückt „Sissi!“. Wie gut, dass man die Möbel nicht weggeworfen hat…
Heute ist das „Möbel Museum Wien“, das jeder immer noch unter der Bezeichnung „Hofmobiliendepot“ kennt, zwar nicht eines der berühmtesten, aber bei näherer Betrachtung interessantesten und reizvollsten Museen Wiens. Jahrhunderte von Stil- und Einrichtungsgeschichte lassen sich da ebenso nachvollziehen, wie man den originalen Flair der Habsburger mitbekommt – und darum kommen die Touristen ja zu Millionen jährlich nach Schönbrunn und in die Hofburg. Im Hofmobiliendepot in der Andreasgasse in Mariahilf gibt es noch viel, viel mehr davon.
Die Geschichte der Institution wird nun in einem Band, den das Museum selbst im Böhlau Verlag herausgegeben hat, sorglich nachgezeichnet. Tatsächlich wurden die Einrichtungsgegenstände der Familie Habsburg in ihren zahlreichen Schlössern und Residenzen schon seit der Zeit Maria Theresias von einer „Hofmobilieninspektion“ verwaltet… Seit 1807 fanden sich die fraglichen Gegenstände (vor allem Möbel, die zwischen den Schlössern hin- und hergeschoben oder ausgetauscht wurden) in jenem „k.u.k. Hofreisewagen-Schupfen“, wo sie noch heute sind, während die Wagen mittlerweile ausgelagert wurden.
Gleich nach dem Ende der Habsburger-Monarchie gab es in den zwanziger Jahren Tendenzen, das „Hofmobilien- und Materialdepot“ des Kaiserhauses ganz aufzulösen, was glücklicherweise verhindert werden konnte. Auch in den vierziger Jahren drohte noch einmal die Liquidation. Der Entschluss zur Gebrauchs- und Schausammlung führte dann zu jener Museumsinstitution, die – wie man mit Stolz erwähnt – sogar von der New York Times als „eine der ausgefallensten Sammlungen der Welt“ bezeichnet wird.
Tatsächlich ist der Inhalt des Hofmobiliendepots hoch interessant, und während der Text durch die Historie fortschreitet, ist man gleicherweise vom Angebot der Fotos fasziniert, schwarzweiß im fortlaufenden Text, historische Ansichten der Räume (teils original, teils schon im Museum aufgestellt), dann noch ein Farbteil mit teils originellen Blickwinkeln – massenhaft Spiegel oder auch Spucknäpfe auf einem Fleck…
Man gewinnt nicht nur Einblick in einer der größten Sammlungen von Biedermeier-Möbeln, sondern auch in „kaiserliche“ Lebenswelten, die sich teilweise vom reichen Bürgertum wohl kaum unterschieden, teilweise mit ihren Thronsesseln und Prunkmöbeln natürlich unverwechselbar sind. An solchen Tischen hat man schließlich auch den Staatsvertrag unterschrieben. Und die Prunkbetten, in denen sich Maria Theresia zum Schlaf niederlegte, wären auch nicht überall zu finden…
Renate Wagner