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HAMBURG/ Elbphilharmonie: Wagner ist leicht! Bemerkenswerte „Tristan“-Paraphrase in der Elbphilharmonie. „Ensemble D´Accord“,

05.10.2021 | Konzert/Liederabende

Wagner ist leicht!

Bemerkenswerte „Tristan“-Paraphrase in der Elbphilharmonie

tabea
Foto: Tabea Stamminger

Ein Format, das erstmal für hochgezogene Augenbrauen sorgt: Noch eine „Tristan“-Annäherung in der Flut der Aufführungen von München (Petrenko) bis Aix-en-Provence (Rattle) und an zahllosen kleinen Häusern bis hin zum Musicaltheater Füssen? Immerhin, der kleine Saal der Elbphilharmonie ist ausverkauft für „Tristan und Isolde in 90 Minuten“, es spielt das süddeutsche „Ensemble D´Accord“, und für den knapp halbstündigen Moderations-Anteil hat man sich mit Sascha Nathan einen Schauspieler verpflichtet, der sonst im Tatort und als Protagonist im Berliner Ensemble auftritt. Dass der Wagnerverband International die Schirmherrschaft übernommen hat für den Abend, erklärt sich sicher daraus, dass dieser „Tristan“ viermal in Wagners Wohnhaus Wahnfried in Bayreuth gelaufen ist, während der diesjährigen Festspiele. Lauter gute Omen?

Um´s vorweg zu nehmen: Ja, unbedingt! Launig bekommt das Publikum erklärt, warum ein Streichsextett genau diese Wagneroper spielen darf, die Präsentation des Plots erklärt leichtfüßig und ganz ohne die Wagner zugeschriebene Schwere, was Sache ist und warum. Beiträge wie „Wagner dachte, die junge schöne Frau seines Gönners Wesendonck war in dessen Angebot der Gastfreundschaft inbegriffen“ gibt es mehrfach. Nicht unverzichtbar, aber unterhaltsam… Eine Menge Musikbeispiele erklingen, es ist ein bisschen eine Hommage an Stefan Mickischs unerreichte Wagner-Vorträge. Anschließend wird jeder Akt in rund 20 Minuten paraphrasiert.

Und das ist wirklich gelungen. Ensembleleiterin Martina Trumpp hat lauter Szenen mit Wiedererkennungswert ausgesucht und so zusammengeschnitten, dass man´s manchmal gar nicht merkt, die Übergänge in Tempo und Tonarten muss man erstmal so hinkriegen. Die Ensembleleistung ist mehr als beachtlich, unter den sechs Solisten ragt Guillaume Artus am ersten Cello heraus, dessen Kantilenen der Orchestercelli vom Vorspiel bis hin zu Tristans Tod mit einer breiten Palette an Klangfarben, mit makelloser Schönheit und lebendiger Agogik aufwarten – was die anderen nicht abwerten soll. Tristan-typischer Applaus (erst nach dem fünften Vorhang trampelt das Publikum vor Begeisterung) – der „schönste Schluss der Operngeschichte“, wie Nathan ihn uns vorstellt, verfehlt seine Wirkung auch hier nicht. Eine schöne Überraschung war dieses Konzert und übrigens ein gelungenes Beispiel, dass die deutschen „Neustart-Kultur“-Gelder auch wirklich gewinnbringend ausgeteilt worden sind für ein bemerkenswertes Projekt, das aus dem Lockdown heraus entstanden ist und hoffentlich seine Fortsetzung findet. In der Elbphilharmonie wären die Musiker jedenfalls sicher wieder willkommen. Es muss ja dann nicht gleich der „Ring des Nibelungen“ werden…

Moritz Liebknecht

 

 

 

 

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