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W.A. MOZART: DIE ZAUBERFLÖTE

13.08.2017 | CD/DVD/BUCH/Apps, dvd

DVD Mozart

W.A. MOZART: DIE ZAUBERFLÖTE – Accademia Teatro alla Scala live 21.9.2016; major 2 DVDs

Die Zauberflöte so frisch, keck, lebendig und herzzerreissend wie am ersten Tag. Dank Regisseur Peter Stein, Bühnenbildner Ferdinand Woegerbauer und Dirigent Ádám Fischer war die Zauberflöte 2016 an der Scala als buchstäblich märchenhaftes Singspiel mit einem vor jugendlicher Emphase nur so überschäumenden Ensemble und Orchester zu erleben. Einmal muss die Zauberflöte keine umgedeutete Opera seria oder Lehrstunde in political correctness, kein um Dialoge amputiertes Stück oder purer philosophischer K(r)ampf sein. Die Zauberflöte mit den Studentinnen und Studenten der Accademia der Mailänder Scala, die nicht nur das bemerkenswerte Solistenensemble bilden, sondern auch den Chor und das Orchester bevölkern und die Bühnenmaschinerie bedienen, wird hier zur Freude eines vielleicht kindischen Publikums so gespielt, wie es in der Partitur und den Regieanweisungen steht, samt aller Dialoge inklusive.

Wir wissen, alle zehn ausverkauften Vorstellungen waren ein großer Erfolg beim Publikum. Journalisten jubelten in der Mehrzahl und jetzt ist auch die „Konserve“ erhältlich. Sie ist nicht nur Zeuge eines geglückten Experiments, sondern bereitet ein ungetrübtes Opernvergnügen. Allen voran ist das einem unverbrauchten und höchst engagierten Ensemble zu verdanken. Ich habe schon lange nicht mehr so temperamentvolle und vitale Oper gesehen wie hier. Es ist sicherlich nicht alles perfekt an den sanglichen Leistungen. Das Damentrio klingt dem Vibrato und der wilden Leidenschaft wegen eher nach Götterdämmerungs-Nornen als Dienerinnen der Königin der Nacht. Auch brauchen Tamino und die Königin etwas Zeit zum Einsingen, um voll dabei zu sein. Aber, aber…

Es ist eine Pamina wie aus dem Bilderbuch zu erleben. Fatma Said kann es in jeder Hinsicht mit den Besten und Größten im lyrischen Fach aufnehmen. Ein cremig einschmeichelndes Luxustimbre à la Lucia Popp, ein ausgewachsener dramaturgischer Instinkt, eine hohe Bühnenpräsenz und untadelige Phrasierung. Ihr Tamino ist nicht weniger interessant. Martin Piskorski verfügt über einen dramatisch und dunkel, beinahe baritonal klingenden Tenor. Der Farbenreichtum seiner auch artikulatorisch bestens geschulten Stimme ist riesig. So vermag dieses grandiose österreichische Gesangstalent den Bogen der immens schwierigen Partie vom Lyrischen bis zu den dramatischen Ausbrüchen absolut rollendeckend zu spannen. Über die weitere Entwicklung dieses Tenors darf man gespannt sein. Auch Till von Orlowsky als Papageno reüssiert. Mit seinem saftigen Bassbariton und seiner Spielfreude, seinem Geschick, eine Bühnenfigur aus Fleisch und Blut zu formen. Die Königin der Nacht, Yasmin Özkan, singt mit lupenreiner Intonation, was ja an sich schon exzeptionell ist, aber eben auch mit einem dramatischen Aplomb comme il faut und wie wir es lieben. Ausdrückliches Lob gebührt ebenso dem wohllautenden, in der Tiefe noch ausbaufähigen Bass von Martin Summer und der entzückenden Papagena von Theresa Zisser.

Peter Steins Verdienst ist es vor allem, mit den jungen Kräften offenbar intensivst an den Rollen und ihrem Verhältnis zueinander gearbeitet zu haben. Das ist besonders an den Dialogen zu merken, die allesamt völlig akzentfrei gesprochen werden und das Stück in einen volkstümlichen Bretterbudenzauber tauchen. Dazu trägt die Szenerie bei, die mit allem aufwarten kann, was der Zauberflöte an Exotismen zu eigen ist: eine grüne giftige Schlange, Blitz und Gewitter, Tempel und Löwen, Baströckchen und Federpürzel.

Ádám Fischer holt aus dem Orchester, den Sängerinnen und Sängern, dem Chor alles und noch mehr heraus. Er dirigiert einen lebendigen, vorwärtsdrängenden, quicklebendigen Mozart. Das Ensemble singt und agiert auf der Bühne, auf der die Callas, die Tebaldi und die Caballé ihre größten Triumphe gefeiert haben, wirklich so, als ginge es um ihr Leben. Das ist unmittelbar faszinierend und packend. Ich habe ähnlich intensive Mozart-Vorstellungen in den Pariser Banlieues (Bobigny) erlebt, wo die Atéliers der Pariser Oper tolle Talentproben (inklusive Regie und Dirigat) abgaben. Allerdings gehören, wie wir das nun seit dem gelungenen Versuch der Mailänder Scala wissen, solche Aufführungen auf die Bühne der Haupthäuser gehievt. Auch der Werkstattcharakter und das Mischen der noch Lernenden mit außerordentlichen Profis wie Stein oder Fischer ist eine gute Sache. Jetzt also auf DVD nachzuerleben. Eine unbedingte Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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