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Volksoper Wien: „TURANDOT“ mit Neil Shicoff

01.03.2014 | KRITIKEN, Oper

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Wiener Volksoper
Giacomo Puccini “TURANDOT”
28.Februar 2014    Wiederaufnahme

 

Ein Abend für die Entomologen

 

Keine Frage, die Entomologen haben wieder Saison in der Volksoper, für die Wiederaufnahme der “Turandot” wurde wieder eine Heerschar an Ameisen – sinnigerweise als Arbeitstiere eingesetzt – Käfer, Raupen und sonstiges Krabbel- und Kriechzeug in Bewegung gesetzt um zu Puccinis teils sinnlichen Melodien wie denen des Ersten Aktes oder den martialischen der Folgeakte eine zugegebenen optisch bunte und lustige Choreographie einzusetzen. Da kriechts und krabbelts, da stacksts und flatterts und ließ die Legende des chinesischen Miao-Volkes lebendig werden, die erzählt, dass der erste Chinese von einem weiblichen Schmetterling abstammt.
Näheres über diese Inspiration ist im Programmheft nachzulesen, auch wie Regisseur André Barbe auf der Suche nach dem psychologischen Raum ist oder sich die Frage stellt, woher Calaf die Kraft nimmt, nach all ihren Morden noch an Turandot festzuhalten. Letzteres ist leicht beantwortet: Die neue Turandot an der Volksoper und Senkrechtstarterin aus Korea Jee-Hye Han ist ein besonders hübsches Insekt und singen kann sie auch, mit einem hellen, virilen, jugendlich-dramatischen Sopran, gerade schön raumfüllend für das Volksoperngebäude und sie ist ja letztlich doch im letzten Bild, in dem vertrackten Alfano-Finale auch zu großen Steigerungen fähig. Ein schönes und heftig akklamiertes Debüt.

Auch jene Raupe, die ihre unglückliche Liebe zum Prinzen mit dem Leben bezahlt, zwischen den Scheren eines grauslich verchromten Riesenkäfers, kann sich den Erfolg mit der Prinzessin zu Recht teilen: Kristiane Kaiser bot eine ebenfalls umjubelte Leistung und machte die Sterbeszene der Liu zu einem Erlebnis. Auch der Vater von Calaf, der entthronte Tartarenkönig Timur, Yasushi Hirano, war mit immer runder und voluminöser werdendem Bass ein mitleidserregendes Irgendwas, er steckte in einem zotteligen Fellkostüm, nicht ganz definierbar, eher wie ein Klon des berühmten Yety, des Schneemenschen.

Ja , das ganze fand offenbar statt, um dem Senior unter den Tierchen, Neil Shicoff, Gelegenheit zu geben, sich in Wien auch als Tartarenprinz präsentieren zu können. Spät aber doch in seinen Wiener Tagen gelingt ihm immerhin eine beachtliche Leistung, wenn auch die Abendform oder die Nervosität sowohl das – nur in Variante notierte – hohe C im Rätselbild erst gar nicht angesungen und der Schlußteil des berühmten Nessun Dorma eigentlich verschenkt wurde. Dazwischen jedoch und vor allem im Schluß dominierten seine beachtlichen Stentortöne, allzuviel Italianitá ist im Insektenland wohl nicht notwendig. Beim Schlußbild entgleist die Inszenierung mit seiner quasi Filmmusik und dem einer drehbaren Hochzeitstorte ähnlichen Aufbau samt Liebespaar gar arg ins kitschige. Aber der Turandot-Schluß ist schon wieder ein ganz anderes Kapitel, vielleicht ist die Toscanini-Variante aus der Uraufführung doch die beste.

Der alte Kaiser war in bester Kehle bei Otoniel Gonzaga, Einar Th. Gudmundson drohte dem Volk mit achtungsgebietender Stimme und Günter Haumer, David Sitka und JunHo Jou waren die drei Insekten-Minister mit verständlicher Sehnsucht nach Ruhe und Ordnung.

Guido Mancusi bürgte für einen reibungslosen Ablauf, das Ende des ersten Aktes schleppte sich ein wenig, zum Einsingen und Einspielen gibt es ja noch genügend Wiederholungen. Für die Einstudierung der in diesem Stück so wichtigen Choranteile sorgte erfolgreich Thomas Böttcher. Auch für die beachtliche Bewegungsregie ist dem Chor und der Komparserie der Volksoper zu danken.

 

Peter Skorepa
MERKEROnline
Foto: Volksoper Wien

 

 

 

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