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ULM: DIE GLÜCKLICHE HAND von Arnold Schönberg/ DAHINSTRÖMEN, SINGEND von Stäbler, CARMINA BURANA von Orff

11.06.2018 | Oper


In der Schönberg-Oper „Die glückliche Hand“ sang Tomasz Kaluzny auf einer „in den Himmel ragenden“ Wendeltreppe (Copyright: Jochen Klenk)

 Höchst interessante Opernproduktion in Ulm: „Die glückliche Hand“ von Schönberg, „Dahinströmen, singend“ von Stäbler und „Carmina Burana“ von Orff (Vorstellung: 10. 6. 2018)

Mit der Produktion von drei Einaktern gelang dem Theater Ulm ein musikalisch nicht alltägliches Programm, wobei die beiden ersten Einakter je 20 Minuten, das dritte Werk nach der Pause eine Stunde dauerte. Da alle Opernwerke sehr einfallsreich von Matthias Kaiser inszeniert und choreografiert wurden, kam das Publikum voll auf seine Rechnung.

Die Oper „Die glückliche Hand“ von Arnold Schönberg, deren Libretto der Komponist selbst verfasste, wurde im Oktober 1924 in Wien uraufgeführt. Das Drama mit Musik, wie Schönberg sein Werk bezeichnete, ist ein bedeutendes Zeugnis der musikalischen Moderne im 20. Jahrhundert. In dem im Programmheft abgedruckten Gespräch mit dem Regisseur über sein Konzept erläutert Matthias Kaiser: „Für mich ist es die Erzählung von einem Leidenden, der den Schmerz benötigt, um als Lebenskonzept seinen Horizont zu weiten und ihn doch nie erreicht. Konfrontiert mit der so empfundenen Banalität der Lüste und Sinnlichkeiten, entscheidet er sich für ein blindes Leben, das ihn jedoch nicht in den gewünschten Himmel der Erkenntnis führt, sondern an den Anfangspunkt seiner vergeblichen Reise. Es ist das Konzept des Sisyphos, das hinter meinem Interpretationsansatz steckt.“

 Es gelang dem Regisseur eine dichte, spannungsgeladene Inszenierung, zu der Marianne Hollenstein ein sehenswertes Bühnenbild mit einer Wendeltreppe in den „gewünschten Himmel“ beisteuerte, auf der der polnische Bariton Tomasz Kaluzny sein Leid einfühlsam  beklagte. Sehr erotisch spielte die italienische Tänzerin Beatrice Panero eine Frau und ein Fabeltier, einen eleganten Herrn mit Hut gab der brasilianische Tänzer Daniel Perin.

Die zu allen drei Opern exzellent passenden Kostüme entwarf Angela C. Schuett, für die kreativen Lichteffekte sorgte Johannes Grebing.

Nach der Schönberg-Oper wurde die musiktheatralische Skulptur „Dahinströmen, singend“  des deutschen Komponisten Gerhard Stäbler (geb. 1949) uraufgeführt (gefördert von der Kunststiftung NRW). Sie hat eine Begebenheit der Orpheus-Sage zum Inhalt, wobei die Klangwerdung eines Zustands, eben eine musikalische Skulptur, erreicht werden soll. Ein Zitat dazu aus dem Programmheft: „Alles ist wogender Klang, der in sich selbst zu ertrinken droht und doch immer wieder Wortfetzen, menschliche Laute an die Oberfläche der nassen Urgewalt spült – ein ‚weißes Rauschen‘ im Hier und Jetzt aus vielen Mündern, die die Orpheus-Mythen aus Jahrtausenden zusammenfließen lassen.“

 Die „Töne“ dieses Werks gab die in Wien geborene Sopranistin Maria Rosendorfsky zum Besten, auf den  beiden Seiten der Bühne saßen die Sängerinnen und Sänger des weißgekleideten Chors, in der Mitte zeigten Daniel Perin und Beatrice Panero ihre beeindruckenden Tanzkünste, wobei die Tänzerin aufs Neue mit ausdrucksstarker Erotik aufwartete. Als Sprecher fungierte Timo Ben Schöfer.

 

Nach der Pause kam die szenische Kantate „Carmina Burana“ von Carl Orff zur Aufführung, die zum ersten Mal im Juni 1937 in Frankfurt am Main erklang. Es wurde eindeutig der musikalische Höhepunkt, denn das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm ließ die herrlichen Melodien und mitreißenden Rhythmen des Werks unter der Leitung von Hendrik Haas, der auch die Einstudierung des Chors vornahm, in allen Nuancen erklingen. Dazu kam noch, dass der Opern- und Extrachor des Theaters Ulm extrem stimmgewaltig und dazu noch darstellerisch ausgezeichnet agierte.

Der erste Teil des Werks behandelt den Frühling, das Aufblühen der Natur und damit der menschlichen Leidenschaften.  Der zweite Abschnitt reiht Sauf- und Fresslieder aneinander, während der dritte Teil die Zuschauer in den Cour d’amour entführt, wobei Orff verschiedene Liebesvarianten zwischen den Geschlechtern in Töne setzte. Durch die gute Personenführung des Regisseurs gelang es dem stimmkräftigen Chor immer wieder die zur Musik passenden schauspielerischen Akzente zu setzen.

Die Solisten waren die Sopranistin Maria Rosendorfsky, der deutsche Tenor Hans-Günther Dotzauer und der Bariton David Pichlmaier (er war kurzfristig für Kwang-Keun Lee eingesprungen), die allesamt einen starken Eindruck hinterließen.

Am Ende der Vorstellung kam es zur Uraufführung einer 90 Sekunden langen musikalischen Intervention des Komponisten Gerhard Stäbler mit dem Titel ] KERAMES PARALIA [ .

Der Inhalt dieses kurzen Stücks hat sich mir nicht erschlossen, auch meinen beiden Nachbarinnen nicht…

Das Publikum war dennoch von dieser musikalisch hochinteressanten Vorstellung angetan und belohnte am Schluss alle Mitwirkenden verdientermaßen mit lang anhaltendem Beifall.

 

Udo Pacolt

 

 

 

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