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TRIER: PETER GRIMES

31.03.2012 | KRITIKEN, Oper

Trier: Grandioser „PETER GRIMES“ – 30.3.2012 

Der Dorfkriminelle – so wird Peter Grimes genannt. Er ist der Außenseiter, der sich dem Gemeindeleben nicht anpasst und deshalb vernichtet werden muss. Die Geschichte von Benjamin Brittens Oper ist bekannt. In Matthias  Kaisers Inszenierung steht jedoch das Thema Moral ganz im Vordergrund. Die Grenze zwischen dem Kollektiv und dem Sonderling zieht Bühnenbildner Manfred Gruber, indem er zwei Ebenen herstellt. Auf der oberen spielt sich das Dorfleben ebenso wie die Kirchenszene ab. Auf der unteren agiert Peter Grimes, knüpft Fischerseile, trifft sich mit Ellen. Während die Bewohner des Fischerdorfes incl. dem ehrenwerten Richter und dem Pfarrer ausschweifend ihren Lastern frönen und dann zur Beichte gehen, um erneut sündigen zu können, wird Peter Grimes als suspektes Individuum zum Selbstmord getrieben. Er, der einfache Fischer, der von Häuslichkeit träumt, von der Heirat mit Ellen, dem einzigen Menschen, der an ihn glaubt, von Kindern und einem normalen Leben, und dafür hart arbeitet, ist vielleicht der Aufrichtigste von allen. Aber er wird von unglückseligen Ereignissen betroffen, die sein Leben letztendlich zerstören. Er hat keine Chance, und somit auch Ellen nicht, die zu ihm hält – das Kollektiv Dorf, die Masse, kennt keine Gnade.

Mit viel Ambition zu Details, einem variablen, äußerst wirksamem Bühnenbild, was durch starke Beleuchtungseffekte eine stimmungsvolle, dem Geschehen angepasste Atmosphäre erzeugte, einfachen Requisiten wie Fischernetze oder Schleppseile, erzählt Michael Kaiser die Tragödie so schlüssig und gleichzeitig so spannend, dass das Schicksal der Hauptfigur zutiefst erschüttert. Mit Gianluca Zampieri hatte man einen Tenor engagiert, der für die Titelrolle absolut prädestiniert ist. Mit seiner kraftvollen Stimme, die in allen Lagen, von seelenvollen Pianostellen bis zu dramatischen Ausbrüchen, fesselte, gestaltete er einen Peter Grimes, wie Britten ihn in Noten setzte. Auf gleiche Ebene kann man Susanne Schimmack als Ellen Orford stellen, die mit ihrem satten, weich klingenden Sopran und intensiver Darstellung großen Eindruck machte. Bestechend war ihre warme Tongebung, starke Mittellage und strahlende Höhe. Laszlo Lukács gab dem Kapitän Balstrode mit nuancenreichem Bariton und überzeugender Rollenintergestaltung Gewicht. Luis Lay ließ als Bob Boles einen schönen lyrischen Tenor hören. Alle weiteren Rollen waren homogen besetzt und rundeten auch in schauspielerischer Hinsicht die ausnehmend gute Qualität des gesamten Ensembles ab. Dazu zählt auch der von Angela Händel einstudierte Opernchor und Extrachor des Theaters mit expressivem Ausdruck und großartiger kollektiver musikalischer sowie bildnerischer Gestaltungskraft.

Fast stiehlt aber Generalmusikdirektor Victor Puhl den Akteuren die Schau. Er vertieft sich in die Musik, zaubert Klänge aus dem Orchestergraben, die den Zuhörer das Meeresrauschen hören lassen, man sieht förmlich, wie die Wogen anstürmen, das Wasser aufgepeitscht wird, sich dann mit wunderbaren zarten Pianotönen beruhigt, um überzugehen zu den Folklore-Liedern, die die Fischer in ihrem Pub singen. Mit seinem Dirigat hat Puhl wahrhaftig das Herz der Oper getroffen und setzt ein Denkmal für den Komponisten, wie es schöner nicht sein kann. Und er reißt sein sehr gut disponiertes Philharmonisches Orchester der Stadt Trier mit, sodass es über sich hinaus wächst.

Wenn sich der Vorhang senkt, nachdem Peter Grimes mit seinem Schiff aufs Meer hinaus gefahren ist und den Freitod gewählt hat, und die Ortschaft in ihren normalen Tagesablauf verfällt und so tut, als ob nichts geschehen wäre, bleibt ein nachdenklich gewordenes, doch tief beeindrucktes Publikum zunächst stumm und bricht dann in enthusiastische, verdiente Begeisterungsstürme aus. 

Inge Lore Tautz

Weitere Vorstellungen: 14., 20., 29. April und 5. Mai.

 

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