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TRAPANI / TRAPANI/ LUGLIO MUSICALE: TURANDOT / CENDRILLON etc.

06.08.2015 | Oper

TRAPANI/ LUGLIO MUSICALE (2.,3.,4.8.2015)

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Allein schon Trapani, die arabisch anmutende Kleinstadt an der Westspitze Siziliens kennen die wenigsten. Aber das Opernfestival „Luglio Musicale Trapanese“ ? Da schütteln selbst die weitgereistesten Melomanen nur unwissend und vor allem ungläubig den Kopf. Diese Reaktion ist ebenso verständlich und nachvollziehbar wie ungerecht und historisch unbegründet.

Denn diese traditionsreiche Veranstaltung existiert bereits seit 1948. Gegründet wurde sie vom Dirigenten Giovanni de Santis, der nach der Zerbombung des Teatro Garibaldi einen Ausweichort suchte, um das Kulturleben seines Heimatorts wieder in Schwung zu bringen. Er fand ihn im städtischen Park „Villa Regina Margherita“, wo es ihm mittels raffiniertester Fundraisingtechniken (avant la lettre) gelang, binnen kürzester Zeit ein provisorisches Freilufttheater errichten zu lassen.

Der „Luglio Musicale“ erlebte glorreiche Zeiten, mit berühmten Mitwirkenden wie Carlo Bergonzi, Mario del Monaco und Anna Moffo, um nur einige zu nennen. Dann geriet das Festival mit der Zeit zum Ausgedinge für abgehalfterte Politiker, und wurde dementsprechend heruntergewirtschaftet. Sodass am Ende nur noch die im Italienischen sprichwörtlichen „quattro gatti“ (vier Katzen) als Zuschauer übrigblieben.

Der im letzten Jahr neugewählte Bürgermeister tat den mutigen Schritt, den ebenfalls Giovanni de Santis genannten Enkel des Gründers, einen erfolgreichen Kulturmanager, zum neuen Intendanten zu bestellen. Und dieser entfachte trotz kürzester(nur sechsmonatiger) Vorbereitungszeit nichts weniger als eine veritable Revolution.

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Cendrillon. Foto: Trapani Luglio musicale

Zwar blieb der Veranstaltungsort – der verwunschene Park mit seinen jahrhundertealten Bäumen der gleiche. Und auch die Auswahl der drei Opern blieb vorerst – wie es sich für ein Sommerfreiluftfestival geziemt – im gewohnt populären Bereich. Gleichzeitig gelang es ihm aber auch, parallel einen neuen Spielort zu etablieren: das atemberaubend schöne Chiostro San Domenico – ein Juwel, das trotz seiner hervorragenden Renovierung dem Publikum bisher verschlossen geblieben war. Und nicht nur das: er bespielte es dank der Eingebung seines musikalischen Leiters Andrea Certa mit einem äußerst interessanten Werk, „Cendrillon“ der Malibran-Schwester Pauline Viardot. Eine sogenannte „Salonoper“, die budgetschonenderweise bereits im Original für ein nur vom Klavier begleitetes Sängerensemble geschrieben worden war. Die ausschließlich in schwarz-weißen Bühnenbildern gehaltene Inszenierung von Renato Bonajuto war ebenso bezaubernd wie das strahlendweisse Kloster.

IMG_5203 Chiostro San Domenico. Foto: Trapani Luglio musicale

Im herkömmlicheren Hauptspielort, dem Teatro “ Giuseppe di Stefano“ gab man heuer Rigoletto, Don Giovanni und Turandot. Große ästhetische Umwälzungen waren auf der immerhin 1000 Zuschauer fassenden Freiluftbühne vorerst nicht zu erwarten. Und so sahen wir die letzte, unvollendete Puccini-Oper (hier wie einstens von Toscanini nur mit der vom Meister selbst geschrieben Musik gespielt) denn auch einer szenisch in den klischeehaften Seilen der Chinoiserie etwa träge hängengebliebenen Fassung.

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Gabrielle Mouhlen als „Turandot“. Foto: Trapani Luglio musicale

Musikalisch hingegen musste man durchaus seine Ohren spitzen. Der Chor und „die weißen Stimmen“ des Festivals hätten anderen Opernhäusern durchaus zur Ehre gereicht. Und der energiegeladene junge Dirigent Matteo Beltrami trieb das Orchester zu Höchstleistungen an, die es ihm größtenteils auch erfüllen konnte. Die Hauptfiguren wiederum ( Dario Prola als Calaf, Gabrielle Mouhlen als Turandot und Francesca Sassu als Liu) waren, rein stimmlich gesehen, durchaus auf der Höhe ihrer Rollen. Aufgrund der sich um sie nicht besonders kümmernden Regie blieben ihre beachtlichen gesanglichen Leistungen allerdings leider irgendwie im luftleeren Raum. Eine durchmischte Sache also.

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Foto: Trapani Luglio musicale

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Die drei Minister. Foto: Trapani Luglio musicale

De Santis allerdings plant munter weiter. Wenn ihn auch manche in seiner Heimatstadt als größenwahnsinnig betrachten, so hat er doch zumindest eine Vision und eine Ambition.

Wie schön das heurige Logo verkündete, möchte er Trapani (bisher eher für den Thunfischfang berühmt) zu nichts mehr und nichts weniger als zur „Città Mediterranea della Musica“ entwickeln. Als Sitz und Zentrale dazu soll das Chiostro San Domenico in seiner Gesamtheit dienen. Das Freilufttheater im Stadtpark wiederum möchte er mittels eines (im Sommer wieder zu öffnenden) leichten Glasdachs in ein ganzjährig bespielbares Opernhaus verwandeln (da das historische Teatro Garibaldi skandalöserweise bis zum heutigen Tage nicht wiederaufgebaut wurde und die Stadt somit keines hat).

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Die Jahrhunderte alten Bäume in der „Villa Regina Margherita. Foto: Trapani Luglio musicale

Nachdem es ihm schon gelungen ist, den Zuschuss de Kultusministeriums aufgrund der „virtuosen Bilanz“ des “ Luglio Musicale “ auf das Doppelte zu erhöhen, steht zu befürchten, dass ihm seine weiteren Entwicklungsschritte ebenfalls glücken werden.

Und somit müssen wir uns darauf gefasst machen, nicht nur das (aus Anlass des American Cup mit Hunderten Millionen Euro) wundervoll restaurierte Trapani selbst, sondern auch seinen revalorisierten „Luglio Musicale“ sowohl auf der touristischen als auch auf der musikalischen Landkarte wiederzufinden.

Robert Qitta, Trapani

 

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