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TOULOUSE/Theatre du Capitol: LES INDES GALANTES von J.P.Rameau

15.05.2012 | KRITIKEN, Oper

TOULOUSE /Theatre du Capitole : LES INDES GALANTES am 13.5.2012 (Robert Quitta)


Paradies. Foto: Theatre Toulouse

Rameau wird schon selten gespielt, „Les Indes Galantes“ noch seltener. Das liegt nicht zuletzt an der sehr ungewöhnlichen, für den heutigen Geschmack sehr gewöhnungsbedürftigen dramatischen Struktur dieser “ Opera – ballet “ : Vier miteinander anscheinend nicht verbundene Bilder mit einem Prolog. Jeweils andere Orte, jeweils andere handelnde Personen. Eine Art Nummern – Oper also.

Andre Serban konnte das 1999 an der Pariser Oper nicht zu einem Ganzen fügen und liess das Publikum (trotz William Christie) eher ratlos zurück. Der jungen Choreographin und Regisseuse Laura Scozzi ist allerdings jetzt am Theatre du Capitole in Toulouse ein Meisterstück gelungen, sodass man das Werk zum ersten Mal zu verstehen meint – und somit geniessen kann.

Scozzi lässt den Prolog in einer Art Garten Eden spielen, mit echtem Gras und echtem Wasserfall und echten kecken Nackerpatzerln. Mithilfe des dramaturgischen Tricks von gleich drei vom Reisebüro „Eden Voyage “ auf eine Weltreise geschickten Amors entwirft sie geschickt ein grossangelegtes Panorama der “ Liebe in Zeiten der Cholera „(wie Garcia Marquez es ausgedrückt hat) bzw. in Zeiten von Naturzerstörung, Menschenhandel, Drogenhandel, Flüchtlingsströmen, Fundamentalismen, Scheinheiligkeit, Bürgerkrieg und Konsumterror (wie sie es sieht).

Die Orte der einzelnen Akte (Der grosszügige Türke, Die Inkas, Die Blumen und Die Wilden genannt) bleiben bestehen : Türkei, Peru, Persien und Amerika. Allerdings sieht man dazu jetzt ein an einem Abwasserkanal gelegenes All-inclusive-Resort, Kokablätter-stampfende Indiobauern, Nutten im Tschador und riesige Reklametafeln, die ein ungetrübtes Glück im günstigen Eigenheim anpreisen.
Was sich hier wie eine Apotheose des feministischen Gutmenschentums oder wie ein Kompendium aller Auswüchse des überzeichneten Regietheaters liest, wirkt auf der Bühne überhaupt nicht so.

Denn Scozzi verliert in der überbordenden Fülle ihrer Einfälle nie den Respekt vor Rameau, seinem Humor, dem spielerischen Charakter des Werks und vor allem nicht den Respekt vor seiner Musik.Und so stampfen die Indiobauern ihre Kokablätter eben genau in den  Rameauschen Rythmen… !

Christophe Rousset und seine Talens Lyriques stehen dem Ganzen in Nichts nach . Ihr Rameau ist leicht, durchscheinend und bei aller gelegentlichen Schwermut nahezu fröhlich. Nie wird in naheliegende und allzubekannte Manierismen verfallen.Von manchen Kritikern wurde Rousset mangelnde“Barockhaftigkeit “ vorgeworfen.Abe genau das ist der Vorzug seiner Interpretation.

Das gilt auch für die Sänger .Allen voran für die frische, unbeschwerte und stimmsichere Kanadierin Helene Guilmette in gleich drei Rollen (als Göttin der Liebe, Gefangene der Dealer und betrogene Haremsdame), aber auch für Judith von Wanroij, Vittorio Prato, Cyril Auvity, Kenneth Traver, Julia Nemikova u.v.a.m.

Am Ende bringt „Eden Voyage“ natürlich alle Beteiligten wieder ins Paradies zurück, flugs entledigt man sich wieder sämtlicher Kleider, ein altes Philemon und Baucis-Paar lustwandelt durch die Fluren, und eine schwangere Eva deutet stolz auf ihren Bauch und – auf den angebissenen Apfel.
Ein Fest für Augen, Ohren und den Verstand. Ein ungetrübtes Vergnügen.

Die Produktion übersiedelt 2014 sowohl nach Bordeaux als auch nach Nürnberg. Dringende Empfehlung !

Robert Quitta

 

 

 

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