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TOULOUSE: TRISTAN UND ISOLDE. Wiederaufnahme

21.02.2015 | Oper

TOULOUSE: TRISTAN UND ISOLDE – WA am 11.2.2015

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Elisabete Matos (Isolde) und Daniele Sindram (Brangäne). Foto: Patrice Nin

 Der Name von Nicolas Joel, dem Regisseur dieser Produktion von Richard Wagners „Tristan und Isolde“, die bereits 2007 am Théâtre du Capitole in der südfranzösischen Stadt Toulouse heraus kam, ist untrennbar mit diesem Haus verbunden. Immerhin 19 Jahre, von 1990 bis 2009, leitete Joel das Théâtre du Capitole und machte es nicht zuletzt durch seine stets aus der Werkaussage heraus inszenierten Opern zu einem der auch heute noch besten Häuser in Frankreich. Von 2009 bis 2014 war Joel dann Generaldirektor der Opéra de Bastille in Paris und ist seither als Regisseur freischaffend. Den Wiener Opernliebhabern ist er vor allem bekannt durch seine gelungene Inszenierung der „Daphne“ von Richard Strauss. Joels Leidenschaft für Wagner begann sehr früh und an prominenter Stelle auch äußerst produktiv: Er war Regieassistent von Patrice Chérau bei dessen „Jahrhundert-Ring“ in Bayreuth 1976 und ließ bereits 1979 seine erste eigene „Ring“-Inszenierung in Straßburg folgen. Auch in Toulouse inszenierte Joel einen sehenswerten „Ring“ zwischen 1999 und 2003, von dem der Rezensent „Die Walküre“ in Nizza und die „Götterdämmerung“, damals noch mit Janice Baird als Brünnhilde, am Capitole erleben konnte. So hat Joel am Theatre do Capitole über die lange Zeit, die er dort die künstlerische Leitung hatte, fast alle großen Werke Richard Wagners inszeniert und damit auch im Orchester ein gutes Verständnis und Interesse am werk des Bayreuther Meisters etabliert. Davon zehrt das Capitole noch heute, wie man auch an diesem Abend bei „Tristan und Isolde“ feststellen konnte.

Leitlinie für Joels Interpretation des „Tristan“ sind die Elemente der kosmischen Natur in diesem Werk, da diese sowohl in der Musik als auch im Text zu hören seien, wie er es in einem Interview mit Robert Pénavayre im Monatsheft „Théâtre du Capitole“ schildert. Und dabei meint er vor allem das Meer und die Nacht, wobei Joel es bei dieser Inszennierung wie auch anderen erneut geschafft hat, eine traditionelle Optik mit modernen Elementen zu verschmelzen. In diesem Sinne ist insbesondere der 1. Aufzug großartig gelungen, zumal der so Wagner-erfahrene Andreas Reinhardt sowohl für das Bühnenbild als auch die Kostüme verantwortlich zeichnete. Vor einem dunklen Meereshorizont mit langsam aufsteigendem Vollmond sehen wir drei dreieckige, die ganze Bühne abdeckende dunkle Platten, die sich ständig wie die Planken eines Schiffes im Spiel der Wellen des Meeres gegeneinander bewegen. Sie suggerieren trefflich sowohl die Seereise von Irland nach Cornwall wie auch eine nächtliche Stimmung, indem sie in subtil durchscheinenden Lichtspielen eine ständig wechselnde stimmungsbildende Optik erzeugen, die wiederum in engster Bezierung zur Musik steht. Diese Platten werden am Anfang zugleich zur Ortsbestimmung der Protagonisten, natürlich mit Isolde an der Spitze des auf den Dirigenten und das Publikum gerichteten Dreiecks, Brangäne weiter hinten und Tristan mit Kurwenal weit hinten am Horizont. Die dezente Eleganz der Kostüme ist perfekt auf diese Ästhetik abgestimmt: Isolde in einem langen weißen Gewand, welches im 2. Aufzug mit einem feuerroten wechselt, Tristan in einem dunklen Gehrock und Brangäne in einem nächtlichen Blau – warnt sie nicht später vor dem Entweichen der Nacht…?! Im Moment des Liebestranks – Brangäne wechselte zuvor unbeobachtet die beiden Tränke gegeneinander aus – steht der Vollmond im Zenith, und in der Stille des ersten Moments fallen die beiden Pokale zu Boden – ein Moment größter Anspannung, auch im Publikum…

 Im 2. Aufzug bilden die drei Bodensegmente die nun ruhende Plattform für das nächtliche Treffen von Tristan und Isolde vor einem nächtlichen Sternenzelt – lediglich die Leuchte bildet einen kleinen Kontrast im Hintergrund. Hier wie auch den ganzen Abend über kommt die Betonung der Romantik, eines gewissermaßen nach innen Gewandten mit den dazu passenden Tönen Schwarz und Grau besonders zum Tragen. So wird auch die Verwundung Tristans durch Melot nur angedeutet durch eine Schwerthaltung, sie ist also hier symbolisch gemeint. Erst die ausgezeichnete Personenregie Joels sowie die subtile Lichtregie von Vinicio Celi füllen die meist statischen Bilder im 2. und 3. Aufzug mit stets auf die Freuden und Leiden der Akteure abstellendem Leben. Im 3. Aufzug hat sich der Reduktion der Handlung entsprechend auch das Bühnenbild reduziert: Wir sehen nur noch einen meteoritenähnlichen Felsbrocken wie ein Damoklesschwert über dem verzweifelt auf Isolde hoffenden Tristan schweben. Damit war die ganze Ausweglosigkeit und Trauer der letzten Szenen charakterisiert…

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Stefan Heidemann (Kurwenal) und Robert Dean Smith (Tristan). Foto: Patrice Nin

 Robert Dean-Smith, altbewährter Tristan aus Bayreuth- und anderen Tagen, hatte einen ganz großen Abend. Ihm kam offenbar auch die gediegene Statik der Inszenierung zu Gute, was ihm volle Konzentration auf den Gesang ermöglichte – und es wurde fast durchgängig Schöngesang. Sein Tenor war an diesem Abend klangvoll und ließ des Öfteren auch durchaus heldischen Aplomb hören, sowie gute Höhen bei – wie immer bei Dean-Smith – bester Diktion. Elisabete Matos begann als Isolde im 1. Aufzug viel zu laut, nervös wirkend und stimmlich forciert, auch wenn die Erregung der irischen Maid angesichts ihres Schicksals eine heftigere stimmliche Gangart nahe legt. Hier wurde es aber bisweilen sogar schrill. Das legte sich dann etwas im Verlauf des Abends. in den ruhigeren Phasen konnte Matos mit einer guten Mittellage und auch Wortdeutlichkeit überzeugen. Ansonsten war recht wenig zu verstehen. Auch im Liebesduett des 2. Aufzugs wurde ihr Sopran etwas scharf. Matos singt zwar alle Noten, auch die Höhen kommen gut, aber es fehlt ihr an Emotion in der Stimme, auch an entsprechender Phrasierung. Dass die Sängerin in den kommenden Jahren vorhat, die drei Brünnhilden und später auch noch Elektra  und Ortrud singen zu wollen, muss zumindest überraschen. Daniela Sindram als Brangäne verströmte mit ihrem farbigen, herrlichen und etwas helleren Mezzo einmal mehr nur reinen Wohllaut, sodass man sich gelegentlich wünschte, sie sänge die Isolde. Dazu kam ihre stets überzeugende Darstellung. Stefan Heidemann sang einen stimmstarken, manchmal etwas zu rustikalen Kurwenal und Hans-Peter König einen wie immer äußerst stimmstarken König Marke mit seinem wahrlich profunden Bass. Mit einer weißen Kapitänsuniform und der damit eher formalen und reduzierten Darstellung wirkte er aber zu unbeteiligt. Thomas Dolié war ein guter Melot, Paul Kaufmann eine junger Seemann mit einem kräftigen Tenor, der sich für höhere Aufgaben empfahl, und Jean-Luc Antoine übernahm die undankbare Rolle des Steuermanns. Der von Alfonso Caiani einstudierte Chor sang transparent und mit guten Stimmen aus dem Off.

Dass der Abend auch musikalisch ein großer Erfolg wurde, ist dem deutschen Gastdirigenten Claus Peter Flor mit dem offenbar seine ganze Wagner-Erfahrung in die Waagschale werfenden Orchestre nacional du Capitole zu verdanken. Schon das Vorspiel zum 1. Aufzug dirigierte Flor mit viel Dynamik und leidenschaftlich, stets mit großem Engagement in seinem Dialog mit den Musikern. Mit guter Dynamik und spannend gelang sodann die Steigerung des Finales dieses Aufzugs. Im 2. Aufzug widmete sich Flor mit viel Liebe zum Detail der musikalischen Nachzeichnung der romantischen Stimmung auf der Bühne. Hier waren auch gute Soli diverser Musiker zu vernehmen. Es war eine von großer Einfühlsamkeit und Facettenreichtum gekennzeichnete musikalische Darbietung, die nicht zuletzt das Publikum zu starkem Beifall animierte. Die durch den fast zu einem Drittel vom Bühnenboden überdachten Orchestergraben gerade für Wagner ausgezeichnete Akustik leistete dazu ihren nicht unbedeutenden Beitrag.

(Fotos in der Bildergalerie)

Klaus Billand                                                                                                   

 

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