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TOBLACH/ Festspiele Südtirol: RECITAL SELINA OTT (Trompete)/ EN-CHIA LIN (Klavier)

11.09.2022 | Konzert/Liederabende

Festspiele Südtirol: Recital Selina Ott, Trompete, En-Chia Lin, Klavier, Mahlersaal 10.9.2022

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Foto: Max Verdoes, Festspiele Toblach

Als Entspannung für die große Kraftanstrengung bei Mahlers IX. im Originalklang gab es zwei Tage später ein Recital für Trompete und Klavier im Programm der Südtiroler Festspiele in Toblach, heiter wie das Trompetenkonzert von Joseph Haydn, der als Vater der heiteren Trompetenmusik gelten kann. Ein maßgeschneidertes Konzertprogramm, in dem mit Francis Poulenc, Alfred Schnittke und Frederic Chopin nur drei berühmte Komponisten firmierten, und die auch nur mit Stücken für das Soloklavier. Aber die anderen hatten für die Trompete alle was zu bieten. Die Protagonisten des Abends waren Selina Ott, die 2018 mit erst 20 Jahren den internationalen Musikwettbewerb der ARD gewann. Ihr Begleiter war der mit knapp 30 Jahren  junge Pianist En-Chia Lin, aus Taipeh gebürtig.

Das Recital begann mit dem ‚Concert Allegro‘ N.1 von Vladimir Peskin, der ein Zeitgenosse zu sein scheint, aber sicher kein Neutöner. Wir im gesamten Recital keine ‚Neutöner‘ vertreten war, vielleicht gibt es sie in diesem Genre gar nicht. Oder die jungen Musiker wollen die Konzertbesucher nicht vor den Kopf stoßen. Immerhin gibt es V.Peskin rhythmisch-melodische Interessantheiten, die von der Trompeterin bestens ins Licht gestellt werden. Virtuose Stellen sind natürlich in allen Stücken eingebaut, und damit möchte Selina Ott, die ihre Ausbildung und Karriere in Wien begann, auch gar nicht geizen. Mit nur drei Spielfingern der re.Hand, äußerst selten auch mit dem Kleinen, meistert sie jede technische Herausforderung. Mit F.Poulencs ‚Melancolie‘ begann eins der Stücke nur für Klavier, hier zeigt sich der Franzose noch eher rückwärtsgewandt wohl auf Chopin, und En-Chia Lin ist gleich in seinem Element. Es folgt ein Trompetenkonzert von Alexandra Pakhmutova. Ob es für Klavierbegleitung reduziert wurde, ist im Programmheft nicht zu erfahren. Das Konzert zeigt aber mal wieder, daß Frauen in allen Genres kompositorisch reüssieren können. Eine anmutig grazile Komposition, von Selina Ott mit großer Eleganz vorgetragen. Mit zwei Präludien und Fugen, N.1. moderato As-dur und N.3 Lento e-moll  von Alfred Schnittke kommen zwei  an Bach orientierte Stücke zu Gehör, sehr ansprechend gearbeitet.

Nach der Pause fungiert gleich ein Leckerbissen von Jean Baptist Arbam, Variationen über ein Thema aus ‚Norma‘. Wie die ‚Casta diva‘ langsam herausgemeißelt erscheint, und von der Trompete dann Glücksgefühle erzeugend intoniert wird mit allen möglichen Arpeggien und Fiorituren, ist große Klasse. Bei den sich anschließenden Variationen scheint sich Komponist Arban aber mehr an der Virtuosität der Trompete als an Vincenzo Bellini inspiriert zu haben. Beim nächsten Solostück ist En-Chia Lin dann vollends in seinem ureigenen Element bei der Ballade N.1 g-moll op.23, er kann das Tasteninstrument in Läufen hoch und herunter meisterlich bearbeiten.Die Sonatina op.100 von Nikolai Kapustin weist wieder auf einen Russen oder einen

Ukrainer hin, der sein Fach versteht (Piano solo). Das Konzertstück N.2 Es-dur von Vassily Brandt verrät noch einmal das große Können von Selina Ott. Und zum Abschluß eine schon als genial zu bezeichnende Konzertetüde op.49 von Alexander Goedicke, die, was Virtuosität der Trompete anlangt, noch einen draufsetzt. In triolischer Verdreifachung werden hier Noten in einem unglaublichen Tempo repetiert, und bei Ott denkt man, es ist ein Kinderspiel, wie sie es gleichsam leichthin nebenbei aus den Armen schüttelt. Wobei sie sich auch immer von exzellentem musikalischem Gespür leiten läßt.                                                             Friedeon Rosén                 

 

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