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THE GRANDMASTER

24.06.2013 | FILM/TV

Ab 28. Juni 2013 in den österreichischen Kinos
THE GRANDMASTER
Yi dai zong shi / Hongkong, China / 2013)
Drehbuch und Regie: Wong Kar Wai
Mit: Ziyi Zhang, Tony Leung u.a.

Es hat sich herumgesprochen. Wie nennen wir es? Blamage? Debakel? Fiasko? Die Aufmerksamkeit war jedenfalls groß genug, hat „The Grandmaster“ doch die Filmfestspiele in Berlin eröffnet. Regisseur Wong Kar Wai fungierte gleichzeitig als Jurypräsident des Festivals, die Aufmerksamkeit war dementsprechend – die Enttäuschung umso größer. Und daran ist nicht zu rütteln. Der 55jährige, in Shanghai geborene Wong Kar Wai ist ein hoch renommierter Filmemacher, dem dieses sein Projekt, das ihm ganz offensichtlich wichtig war, nicht wirklich gelungen ist.

Sicher erzählt Wong Kar Wai letztlich die Geschichte von zwei Menschen, Antagonisten, was immer gut ist, aber im Grunde hat er ein theoretisches Thema gewählt, bei dem man ihm – zumindest als Europäer – gar nicht so recht folgen kann: Es geht um die Kunst des Kung Fu in ihren verschiedenen Ausformungen, Stilen und Schulen, wie sie in den verschiedenen Regionen Chinas ausgeübt wird.

Dabei ist der titelgebende „Großmeister“, den Tony Leung ernsthaft und bedeutungsschwer spielt, eine historische Figur. Es gab diesen Ip Man wirklich, 1893 geboren, Meister seiner Kunst, der wie alle Chinesen durch ihre Tragödie der japanischen Besatzung aus der Lebensbahn geworfen wurde. Die Martial-Arts-Schule, die er schließlich in seinen späteren Lebensjahren in Hongkong eröffnete, wurde berühmt, weil aus ihr Bruce Lee hervorging – der dann durch eine Unzahl von Kung Fu Filmen diesem Kampfsport überhaupt erst seine internationale Berühmtheit verschaffte.

Noch bevor die chinesische Gesellschaft auseinander bricht, wird sie in ihrem ganzen Prunk beschworen, und damals, 1936, sieht sich Ip Man, der Mann aus dem Norden, in Foshan im Süden von Gong Er (die schöne Zhang Ziyi, hier auch durchwegs düster, kämpferisch und verschlossen) herausgefordert, der Tochter eines anderen, rivalisierenden Großmeisters. Das müsste nun vor Spannung vibrieren, wird aber in seltsamer Kühle abgehandelt.

Abgesehen von dem starken theoretischen Strang, der dem Regisseur so wichtig war: Kung Fu ist auch eine philosophische Weltanschauung, die in vielen bedeutungsschweren Sätzen (von vielen bedeutungsschwer den Kopf schüttelnden älteren Herrschaften) immer wieder dargelegt wird. Außerdem geht es offenbar auch um verschiedene Arten, Füße, Arme, Beine, den Rest des Körpers einzusetzen. Davon versteht man natürlich gar nichts (Spezialisten ausgenommen), aber man sieht eine Menge Kämpfe… virtuos, oft durch Zeitlupe im Effekt verstärkt, manchmal schier unglaublich in den Bewegungen.

Warum befriedigt die Geschichte dennoch nicht? Erstens würde man den erstarrten Hauptfiguren gerne etwas näher kommen, Geheimnisse sind gut, aber es geht ja um Menschen, die etwas empfunden haben. Zweitens herrscht in der Dramaturgie des Films ein oft undurchdringliches Chaos, das man dem Drehbuchautor – und das ist Wong Kar Wai schließlich selbst – nicht verzeiht. Wie kommt das zu dem – niemand dümpelt gern durchs Geschehen und findet überall lose Enden. Am Ende ärgert man sich über das heillose Durcheinander, weil es mit etwas Disziplin zu vermeiden gewesen wäre.

Selbst das, was Wong Kar Wai vordringlich auszeichnet, nämlich die exquisite Ästhetik nicht nur der Ausstattung, sondern auch der Kameraführung und des Schnitts, ist den Kritikern diesmal nur als allzu absichtsvoll und geschmäcklerisch auf die Nerven gegangen – vor allem Wasser, ob Sprühregen, ob aus Pfützen explodierende Tropfen, wird da immer wieder zelebriert… Ein Kampf im Schnee vor einem vorbeifahrendem Zug – herrlich gewiss, und doch: Brillante Machart allein reicht einfach nicht, wenn die dazugehörige Geschichte irgendwo zerflattert…

Renate Wagner

 

 

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