Stuttgart/ Gaisberg/Evangelische Kirche:
Finnland stand diesmal auf dem Programm des SWR Vokalensembles Stuttgart unter der einfühlsamen Leitung von Marcus Creed. Einojuhani Rautavaara gilt als der wohl bedeutendste lebende finnische Komponist. Von ihm erklang gleich zu Beginn „Canticum mariae virginis“ (1978) mit den versierten Solisten Eva-Maria Schappe und Wakako Nakaso (Sopran). Gregorianische Melodiebildungen und mittelalterliche Verfahren stachen bei dieser Wiedergabe deutlich hervor, der Chor besaß eine durchsichtige polyphone Klarheit. Ganz allmählich und geheimnisvoll entwickelte sich ein zehnstimmiger Kanon, der immer großflächiger und mächtiger wurde. Themenvergrößerung und andere kontrapunktische Finessen prägten sich immer tiefer ein. Das in Quart-Parallelen daherkommende „Gaude“-Motiv besaß eherne Kraft und leuchtende Klarheit. Die Sinnlichkeit der Gesangslinien stand so deutlich im Mittelpunkt. Eindrucksvoll wurde auch Rautavaaras dreiteilige Komposition „Cancion de nuestro tiempo/Lied von unserer Zeit“ auf Gedichte des spanischen Lyrikers Federico Garcia Lorca vom SWR Vokalensemble Stuttgart interpretiert. Im ersten Satz „Fragmente des Leidens“ behauptete sich der Litaneiton neben fast schon surrealistisch-drängenden Bildern und Klangflächen. Chromatische Bewegungen verdichteten sich so immer mehr – und die achtstimmig aufgefächerten Soprane und Altstimmen beschworen ein bewegendes Tongemälde. Auch die „Erste und letzte Meditation“ und die ergreifende „Schlaflose Stadt“ (Sarajewo-Notturno) gefielen bei dieser Wiedergabe aufgrund der starken gesanglichen Intensität mit kontinuierlichem Pulsieren und schrillen Schreien. Die Solisten Eva-Maria Schappe, Wakako Nakaso, Barbara van den Boom (Sopran), Alexander Yudenkov (Tenor) sowie Philipp Niederberger und Mikhail Shashkov (Bass) imponierten einmal mehr mit enormer gesanglicher Souveränität.
„Lust“ für gemischten Chor von Jukka Linkola entführte das Publikum schließlich zwischen Ostinato-Formen und wilden Rhythmen in die Welt der Tonalität und Populärkultur mit jazzartigen Anklängen. Fetzige Synkopen, Blue Notes, laszive Chromatik und polyrhythmische Textur verbanden sich bei den einzelnen Sätzen „Das rote Band“, „Der Vogel“, „Hasenweihnacht“, „Abendlied“ und Coda zu einer elektrisierenden harmonischen Reise. Die ausgezeichneten Gesangssolisten Barbara van den Boom (Sopran), Judith Hilger, Julius Pfeiffer (Alt), Johannes Kaleschke, Frank Bossert (Tenor) sowie Philipp Niederberger und Torsten Müller (Bass) entwickelten hierbei ein inspirierendes vokales Feuerwerk. Als Zugabe begeisterte noch „Finlandia“ von Jean Sibelius mit blühender Melodik und strahlenden Volksweisen.