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STUTTGART/ Studiotheater: KINDEREIEN von Raymond Cousses

17.05.2019 | Theater


Karlheinz Schmitt. Foto: Jan Bosch

„Kindereien“  von Raymond Cousses am 17.5.2019 im Studiotheater/STUTTGART „

MOMENTAUFNAHMEN ZWISCHEN LEBEN UND TOD

Immer sagte man zu mir, ich soll hinaufgehen und meine Schulaufgaben machen, wenn die Leichenwagen bei uns vorbeifuhren.“ In einem unruhig-lebendigen Monolog schlüpft der wandlungsfähige Schauspieler Karlheinz Schmitt hier in viele Rollen. So entstehen Momentaufnahmen zwischen Leben und Tod, die teilweise auch absurd sind. Es gibt keine Erklärung und keine Lösung.

In „Kindereien“ erzählt ein Junge vom Aufwachsen in einem Dorf nahe Paris. Dem Publikum werden Bonbons und Zigaretten angeboten.  Prüderie und Pragmatismus herrschen vor, eine seltsame Nachkriegsgesellschaft wird gnadenlos bloßgestellt. Der Junge soll wider Willen zu einem funktionierenden Teil dieses Systems werden, was aber nicht gelingen will. Sexualität und Machtspiele verwirren ihn – das Leben ist wohl schwieriger und komplizierter, als es die Älteren zugeben.

In Regie und Ausstattung von Stefan Rogge lässt Karlheinz Schmitt als virtuoser Solodarsteller diese „Kindereien“ in manchmal durchaus vergnüglicher Weise Revue passieren. Da mokiert er sich über den Metzgergesellen, der mit Marcels Schwester mit einem „großen Pimmel“ Geschlechtsverkehr hat. Im roten Soldatenkleid streitet er sich auch mit einer alten Frau herum, deren Katze er getötet hat. Im Kochtopf wird sie dann gargekocht. So gibt es in diesem Stück immer wieder skurrile und makabere Momente – vor allem dann, wenn der zunächst harmlose Metzger auf die Schweine und Kälber zugeht und sie mit Beil und Messer abschlachtet: „Alle vier schrien in der Metzgerei und waren böse„. Das erschrockene und staunende Kind kann in dieser merkwürdigen Erwachsenenwelt allerdings keinen Sinn sehen. Es gerät immer tiefer in einen ausweglosen Strudel gewollter Gewalttätigkeiten und gnadenloser Ignoranz.

Dazwischen gibt es noch eine groteske Szene in der Schule, wo Karlheinz Schmitt plötzlich in die Rolle des tyrannischen Lehrers schlüpft, der aus dem fassungslosen Publikum eine Schulklasse macht. Da wird jeglicher pädagogische Ansatz ad absurdum geführt. Zuletzt wird das Kind von Männern in einen Sarg gelegt und wohnt seiner eigenen Beerdigung bei. Da werden diese Momentaufnahmen zwischen Leben und Tod ganz dicht. An katholischen Gebetsritualen geht es zugrunde.

Es ist kein schönes Ende, das den Zuschauer da überfällt. Denn plötzlich gehen alle Lichter aus und der Knabe kann niemanden mehr erkennen. Aus den „Kindereien“ ist plötzlich tödlicher Ernst geworden.

Alexander Walther

 

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