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STUTTGART/ Stiftskirche: STUNDE DER KIRCHENMUSIK / BACHKANTATEN- Herrlichkeit und Himmelswonne

26.09.2015 | Konzert/Liederabende

HERRLICHKEIT UND HIMMELSWONNE

Bach-Kantaten am 25. September 2015 bei der „Stunde der Kirchenmusik“ in der Stiftskirche/STUTTGART

Berühmt ist die Erzählung aus Lukas 7, in der Jesus einen Toten auferweckt. Darauf basierten nämlich auch alle Kantaten dieses Johann Sebastian Bach gewidmeten „Bach vokal“-Abends in der voll besetzten Stiftskirche. Alle vier Librettisten stellten in ihrer Behandlung des Themas Tod dem bitteren Ende des irdischen Lebens die „Herrlichkeit und Himmelswonne“ gegenüber. Kay Johannsen dirigierte das „solistenensemble stimmkunst“ und das Ensemble Stiftsbarock Stuttgart mit großer Transparenz und schlanker Linienführung. Dies zeigte sich sogleich bei der von einem präzis artikulierten „Cantus firmus“geprägten Kantate BWV 161 „Komm, du süße Todesstunde“. Die spezifischen barocken Effekte kamen dabei nie zu kurz, die Seufzermotive und der feine Klang der Flöten überzeugten die Zuhörer aufgrund einer sensiblen Klangbalance, auf die Kay Johannsen ganz besonderen Wert legte. Die Anklänge an den „Actus tragicus“ waren hier immer wieder deutlich herauszuhören. Der Quintettsatz für Alt, Flöten und Orgel wurde stimmungsvoll ergänzt von der glanzvollen Tenorarie und der polyphon reichen Chor-Arie, wobei die figurativen Sequenzen facettenreich herausragten. Die Wendung dieses Chorals von der Trauer zur Freude machte Kay Johannsen mit dem Ensemble besonders ausdrucksvoll deutlich. Schlaf, Auferstehung und das geheimnisvolle Läuten der Todesglocken brannten sich hier ins Gedächtnis. Die Kantate „Christus, der ist mein Leben“ beeindruckte vor allem aufgrund der gut herausgearbeiteten Todessehnsucht des ersten Instrumentalsatzes mit der terz- und sextengeprägten Thematik. Der Schluss-Satz „Sterben ist mein Gewinn“ strahlte dabei leuchtkräftig auf. Der emporschwebende Lichtschein wurde von der obligaten Violinstimme feinnervig verdeutlicht. Das arbeitete Kay Johannsen bewegend heraus. Die zum Himmel strebende Sehnsucht hätte vielleicht bei der einen oder anderen Passage sogar noch intensiver sein können. Aber vor allem rhythmisch wurde die formale Struktur des Werkes wiederholt sehr intensiv betont. Der Bass verabschiedete sich bei der Kantate „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende?“ BWV 27 mit sonorem Unterton vom Weltgetümmel. Das Motiv des Cantus firmus „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ wurde hier nuancenreich von der ersten Oboe getragen. Liedartige Melodik und beschwingte Bewegung markierten effektvoll den gewaltigen Umschwung zur Freude. Bei der zuletzt interpretierten Kantate „Liebster Gott, wenn werd ich sterben?“ war Kay Johannsens Interpretation voller Seelentiefe und spieltechnischer Reife. Das Ensemble konnte sich dabei sehr gut mit seinen Intentionen identifizieren. Als ergreifend-fesselndes Gemälde des Todes zeigte sich der erste Satz als monumentaler Choralchor, wo das „solistenensemble stimmkunst“ ganz aus sich herausging. Der Übergang vom homophonen zum polyphonen Satz wurde von Kay Johannsen und seinem Ensemble klangschön vorgetragen, wobei die Details nicht untergingen. Der Gegensatz zwischen Furcht und Hoffnung blitzte ebenfalls grell auf. Auch die tänzerisch-beschwingte Form der Gigue kam nicht zu kurz. Insbesondere der Schlusschoral besaß mit seinen chromatischen Kunstgriffen eine imponierende Wirkung, die das Kirchenschiff ganz ausfüllte. Vor allem die legato-gesättigten Melodiebögen der Oboe d’amore verzauberten die Zuhörer. Der Zauber mystischer Frömmigkeit wurde hierbei nicht übermäßig herausgestellt. Aber die architektonisch kühne Inspirationskraft Johann Sebastian Bachs erfuhr bei dieser konzentrierten Wiedergabe eine fesselnde Deutung. Der Cantus firmus thronte gleichsam als unvergleichliche Allmacht Gottes, der Orgelpunkt war eine ruhende Kraft und die harmonische Entwicklung gipfelte als Sinnbild göttlicher Stärke. Entsprechend herzlich war der Schlussapplaus des Publikums.

Alexander Walther

 

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