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STUTTGART/ Staatsoper: LIEDKONZERT „Liebestode“ mit Christiane Iven /Stefan Schreiber

EIN FEST DES KLANGFARBENREICHTUMS

4. Liedkonzert „Liebestode“ mit Christiane Iven und Stefan Schreiber in der Staatsoper am 28. April

Christiane Iven wird am 20. Juli 2014 bei der Neuinszenierung von Wagners „Tristan und Isolde“ in der weiblichen Hauptrolle in Stuttgart debütieren. Einen Vorgeschmack auf dieses Ereignis vermittelte das denkwürdige Liedkonzert „Liebestode“, das sie gemeinsam mit dem ausserordentlichen Pianisten Stefan Schreiber (der an der Stuttgarter Oper immer wieder erfolgreich tätig ist) am Montag präsentierte. Richard Wagners fünf Gedichte von Mathilde Wesendonck für Frauenstimme und Klavier verstand der Komponist als subtile Vorstudie zu seiner Oper „Tristan und Isolde“, deren chromatische Verästelungen auch bei diesen Wesendonck-Liedern zum Vorschein kommt. Das Ordnungs- und Formmotiv mit seinen Leitmotiven lässt sich dabei überzeugend erkennen, was sowohl die stimmlich fein timbrierte Christiane Iven als auch der einfühlsame Pianist Stefan Schreiber facettenreich zu Gehör brachten. Da stimmte vor allem die melodische Fülle und der geradezu hymnische harmonische Überschwang. Dass Wagner aufgrund seiner Beziehung zu Mathilde fast eine Ehekrise bei dem Ehepaar Wesendonck auslöste, bildet den seelischen Überbau dieses Werkes, dessen tiefer emotionale Gehalt von beiden Künstlern in hervorragender Weise erfasst wurde. „Lohengrin“ und „Tannhäuser“ schimmerten beim „Engel“ sphärenhaft durch, während sich beim zweiten Lied „Stehe still!“ und dem vierten Lied „Schmerzen“ die „Tristan“-Welt immer suggestiver durchzusetzen schien. Christiane Ivens eigentlich geschmeidige und wandlungsfähige Stimme steigerte sich bei der zuweilen intensiv-stürmischen Wiedergabe immer mehr und hinterließ beim Publikum einen tiefen Eindruck. „Im Treibhaus“ erinnerte dann sehr stark an den dritten „Tristan“-Akt. „Träume“ nahmen bei dieser Wiedergabe sehr deutlich den Nachtgesang der Liebenden aus dem zweiten „Tristan“-Akt vorweg. Da wuchsen Sopran und Klavier auch zur Einheit zusammen. Nach der Pause geriet Olivier Messiaens „Harawi – Chant d’amour et de mort pour chant et piano“ („Gesang von Liebe und Tod“ für Sopran und Klavier) zu einem absoluten Höhepunkt dieses an berührenden Erlebnissen reichen Konzertabends. Messiaen hat sich hier mit dem „Tristan und Isolde“-Thema auseinandergesetzt. Entstanden sind diese Gesänge in den 1940er Jahren, nach Messiaens Begegnung mit der Pianistin Yvonne Loriod und noch zu Lebzeiten seiner schwer erkrankten ersten Frau, der er bis zu deren Tod 1959 die Treue hielt. Er begriff die ehebrecherische Liebe in Wagners „Tristan“ als Gefährdung seiner eigenen, dem christlichen Glauben vepflichteten Existenz. Christiane Iven hob bei ihrer Interpretation dieses Meisterwerks aber die humorvollen Aspekte hervor und wurde dabei von Stefan Schreiber kongenial unterstützt. „Harawi“ ist ein Begriff der Quechua-Sprachen des Andenraumes und bezeichnet ein Liebeslied, das mit dem Tod der Liebenden endet. Messiaen verwendete die 1925 erschienene Sammlung „La Musique des Incas et ses survivances“ der Komponistin und Ethno-Musikologin Marguerite Beclard d’Harcourt als Grundlage für dieses Werk. Intervallketten und reizvolle pentatonische Modelle wurden hier vor allem von dem exzellenten Pianisten Stefan Schreiber konsequent hervorgezaubert. Die tonalen Strukturen zeichnete Christiane Iven sehr eindringlich nach. Und die traumhafte Stimmung des ersten Liedes wurde dann in zahlreichen dynamischen Kontrasten von der „peruanischen Isolde“ des zweiten Liedes abgelöst. Die geheimnisvolle Wiederbegegnung erfolgte „in der Schwärze“ des Todes im zwölften Lied. Als ritueller erotischer Tanz faszinierte das vierte Lied, wo Christiane Iven ganz aus sich herausging und von Stefan Schreiber höchst emotional begleitet wurde. Beim elften Lied geriet der Tanz zu einem orgiastischen Taumel, wo der Liebende dazu aufforderte, ihm den Kopf abzuschlagen. Ostinate Schichtungen nicht umkehrbarer Rhythmen wurden dabei ebenfalls konsequent umgesetzt. Zarte Arabesken und expressiver Ausdruck kennzeichneten Christiane Ivens subtilen Vortrag ebenso wie gnadenlose Motorik, folkloristische Ansätze bis hin zum Schrei. Grandiose Perpetuum-mobile-Strukturen wurden immer wieder in aufregender Weise verdeutlicht. Das war ein akustisches Erlebnis der ganz besonderen Art. Vor allem die Verdichtung der musikalischen Struktur bis hin zur Undurchhörbarkeit gehörte zu den großen Vorzügen dieser meisterhaften Interpretation durch Christiane Iven und Stefan Schreiber. Das Naturhafte der Symmetriebildung trat in großen Kantilenen drastisch hervor. Vor allem die zahlreichen Tonrepetitionen im Staccato-Rhythmus wurden von Christiane Iven und Stefan Schreiber mustergültig betont. Wie geschickt Messiaen das traditionelle metrische System durch die Hinzufügung kurzer Notenwerte aufhob, wurde bei der überaus konzentrierten Wiedergabe ebenfalls deutlich. Die Verwendung selbstgeschaffener Modi lässt der Singstimme hier aber viel Freiraum, was Christiane Iven voll auskostete. So entstand ein differenziert durchdachtes Geflecht von vielen thematischen Beziehungen. Auch bei dieser bedeutenden Komposition sind die Ursprünge der seriellen Musik zu finden. Dies gelang vor allem Stefan Schreiber bei seiner Wiedergabe ganz ausgezeichnet. Entsprechend frenetisch war der Schlussapplaus.

Dieses Liedkonzert der Staatsoper Stuttgart wurde in Zusammenarbeit mit der internationalen Hugo-Wolf-Akademie veranstaltet.

 Alexander Walther

 

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