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Stuttgart
„DIE SCHÖNE MÜLLERIN“ 8.01.2020 (Foyer Opernhaus) – Dialog zweier ebenbürtiger Künstler
Zum würdigen Gedenken an den am 1. Weihnachtsfeiertag verstorbenen Peter Schreier wurde dieses Liedkonzert im Rahmen der von Staatsoper und Hugo Wolf-Gesellschaft (deren Medaillenträger er ist) gemeinsam verantworteten Veranstaltungsreihe, standen hier doch zwei Künstler im Rampenlicht, die in völlig übereinstimmendem Dialog zwischen Klavier und Singstimme für eine qualitativ singuläre Interpretation von Franz Schuberts Liederzyklus op.25 mit Texten des ebenfalls früh verstorbenen Wilhelm Müller garantierten.
Die Intimität dieser Kunstform, die im festlichen Foyer des Opernhauses einen idealen Rahmen hatte (die Kartennachfrage hätte indes den größeren Zuschauerraum verlangt), wurde von dem trotz seiner regen internationalen Gastiertätigkeit schon viele Jahre zum Ensemble gehörenden Tenor Matthias Klink und Generalmusikdirektor Cornelius Meister am Flügel in einer Dichte ausgeschöpft, die eine bisweilen szenische Imaginationskraft aufwies. Klink, als intensiver und äußerst differenziert Gestalter auf der Opernbühne bekannt, identifizierte sich auch hier mit dem Wanderer auf eine so eindringliche Weise, als wäre der Zuhörer an seinem anfangs froh gestimmten Marschieren, seinem Zwiegespräch mit dem Bach, seinem Zusammentreffen mit der Müllerin bis hin zum Selbstmord aus versagter Liebe selbst beteiligt. Den kleinen Raum auf dem Podium nutzt er für eine körpersprachlich und mimisch suggestive, die jeweiligen Gedanken und Gefühle des Wanderers trefflich auffangende Auslotung. Die Bandbreite seines vokalen, sprachlich bis ins kleinste Detail natürlich artikulierten Einsatzes umfasst ganz zart Gesponnenes, an Mozart geschulte feine Lyrismen, forsch charaktervoll Zupackendes bis hin zu grellen und schneidenden Phasen, die dem Schicksal des Protagonisten eine hohe Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit geben. Im Grunde genommen ist es fast eine halbszenische Umsetzung, nur eben ohne Requisiten, aber mit entscheidender Unterstützung durch den musikalischen Begleiter, einem – nomen est omen – echten Meister, nicht nur in seiner Funktion als Dirigent, sondern auch im Bereich der Kammermusik, die ihm als Pianist gleichfalls sehr am Herzen liegt und dem Stuttgarter Publikum so auch einige Auftritte über seine Opern- und Orchesterkonzert-Dirigate hinaus bietet. Als Partner von Matthias Klink ist er mehr als ein bloßer Begleiter, auch wenn manche der Lieder in ihrem einfachen Verlauf diese Funktion suggerieren mögen, doch da gibt es so viele kleine Nuancen, entscheidende Momente, wo Meister das Fließen des Baches oder das Klappern des Mühlenrades abtönt, mal etwas verlangsamt, wieder beschleunigt und dem Solisten so den entscheidenden Akzent vorgibt. Harmonische Übergänge, einmütiges Nachklingenlassen von Phrasenenden, das Miteinanderatmen und Einssein – allesamt Aspekte, die Schuberts ersten Liederzyklus an diesem Abend zu einem Minidrama werden ließen. Für den nicht enden wollenden Beifall wurden die Zuhörer mit einem subtil und empfindsamst bis ins Piano ausgekosteten „Nacht und Träume“ nach Hause geschickt.
Viele von ihnen werden sicher auch dabei sein, wenn Matthias Klink im März in einer szenischen Darstellung der „Winterreise“ in der zeitgenössischen Orchesterfassung von Hans Zender zu erleben sein wird.
Udo Klebes