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STUTTGART: NABUCCO. Das Musikalische siegt einmal wieder… Wiederaufnahme

26.02.2017 | Oper

Stuttgart

„NABUCCO“ 25.2. 2017 (18.2. WA) – Das Musikalische siegt einmal wieder…

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Marco Vratogna in der Titelrolle. Copyright: Martin Sigmund /Staatsoper Stuttgart

Die vor vier Jahren erstmals gezeigte, in Koproduktion mit der Welsh National Opera entstandene Inszenierung von Rudolf Frey leistet Verdis Frühwerk mit seinen konfessionellen Auseinandersetzungen insofern einen guten Dienst, als sie eine relativ rasche Eingliederung von nachfolgenden Besetzungen ermöglicht, sprich von einigen wenigen Details choreographisch angelegter Gesten abgesehen, kaum individuelles Profil aufweist. Zum Glück weicht der zunächst leere und stimmungslose Bühnenraum von Ben Baur  ab dem zweiten Akt einer zumindest Assoziationen zur Handlung herstellenden Ausstattung mit einem goldglänzenden Vorhang als zentralem Signum verlockender glänzender Macht. Außerdem löst sich die anfänglich statisch geprägte Personenregie in spannendere Aktionen auf. Die beliebigen Gegenwartskostüme von Silke Willrett bleiben dagegen ein Schwachpunkt, weil vor allem die Solisten (den als glitzernden Showmagier auftretenden Baals-Oberpriester von Ashley David Prewett ausgenommen) keinerlei Unterstützung bei der Gestaltung ihrer Rollen erfahren.

Was die optische Seite versagt, konnte die musikalische Komponente auch bei dieser Neueinstudierung größtenteils wettmachen. Ursprünglich hätte Scott Hendricks sein Debut als Nabucco geben sollen, wurde nun aber durch den als Graf Luna am Haus in sehr guter Erinnerung gebliebenen Marco Vratogna ersetzt. Mit seinem leicht trockenen und etwas grobkörnigen, aber sehr markant aus der Sprache heraus expressive Akzente setzenden und zu wirkungsvollen Steigerungen fähigen Bariton gibt er dem zunächst hochmütigen König der Babylonier – unterstützt von seinem bemerkenswerten Charakterkopf und emotionaler Spontaneität – eine würdige Kontur. Dass er in diesem Rahmen auch zu differenziert und kultiviert ausgesungenen Kantilenen fähig ist, komplettiert seine runde Leistung als würdevoller Verdi-Interpret. In Ekaterina Metlova hat er eine gleichwertige Kontrahentin als Abigail, so dass beider Duett zu einem erregenden Höhepunkt der Aufführung wurde. Bei der noch jungen Russin erstaunt zunächst das etwas schwach und farblos ausgeprägte tiefe Register, obwohl sie ihre Laufbahn im Mezzo-Fach begonnen hatte und erst vor wenigen Jahren in den Sopran gewechselt war. Offensichtlich war die Stimme von Anfang an sehr hell timbriert, denn im Gegensatz zu Kolleginnen, die den gleichen Fachwechsel vollzogen haben, ist ihre Vergangenheit als Mezzosopran nicht mehr hörbar. Die Stimme hat jedenfalls eine Respekt gebietende Durchschlagskraft und einen bis in die extremen Spitzen gleichmäßig runden und sicheren Tonansatz, vermag in den vielen Registersprüngen zu attackieren, aber auch in verhalteneren Passagen auf Linie zu bleiben. Mit Ausnahme einiger anfangs verwaschenen Phrasierungen und einer nicht ganz sauber sitzenden Koloratur ist das bereits die fünfte Rollenvertreterin in dieser Inszenierung, die diese gefürchtete Rolle nicht nur irgendwie bewältigt, sondern rundum beherrscht. Als positiv ist auch ihre nicht zu sehr auftrumpfende und zugunsten einer natürlich bleibenden Gestaltung auf theatralische Überzogenheit verzichtende Charakterisierung der von Ehrgeiz und Eifersucht zerrissenen Sklavin anzumerken.

Trotz dieser beiden starken Kontrahenten gebührt die Krone des Ensembles dem Premieren-Zaccaria Liang Li. Mit seinem edlen Bass-Material, das von der Tiefenschwärze bis ins hohe Register organisch gleichmäßig und flexibel einsetzbar ist, vermittelt er als Hohepriester der Hebräer genau jene ausgleichende Mischung aus balsamischer Güte und prophetischer Strenge und bestitzt damit genau die verführerischen Gaben, mit denen er das Volk der Hebräer an sich bindet. Ihm zuzuhören darf von Anfang bis Ende als Genuss bezeichnet werden. Dasselbe gilt für den Staatsopernchor in durch Studierende der Musikhochschule Stuttgart erweiterteter Formation, den Johannes Knecht für seine zentrale Aufgabe wieder bewunderungswürdig geschlossen, mit der Fähigkeit zu imposanter klanglicher Fülle wie auch zu transparenter Diktion vorbereitet hat. Schade nur, dass er den Gefangenenchor diesmal nicht so lange im Piano über den letzten Orchestertakt hinaus ausschwingen lassen durfte. Es dürfte wohl auf das Konto des Dirigenten Marco Comin gehen, der im übrigen auf eine recht flüssige, auf allzu penetrante rhythmische Gewöhnlichkeit verzichtende Wiedergabe setzte, das in allen Gruppen geschlossen mitziehende Staatsorchester Stuttgart mit der Bühne in beständig guter Übereinstimmung hielt und speziell auch in den Akt-Finali klare Zeichen setzte, die die Regie verweigert und die Szene offen in der Luft hängen lässt. Nur in einigen eruptiven Begleit-Akzenten könnte etwas mehr Betonung die Spannung noch erhöhen.

Unter den weiteren Beteiligten ist Ezgi Kutlu für ihre natürlich und berührend intonierte Fenena mit recht üppigem Mezzosopran zu loben. Gergely Nemeti, der am Vorabend noch als beachtenswert klangschöner Lenski zu erleben war, erfüllte auch die recht fordernden Passagen des Glaubensüberläufers Ismaele mit strahlendem Impetus. Aus dem Opernstudio bewährten sich Esther Dierkes als Anna mit durchsetzungsfähigem Sopran und Kai Kluge als Abdallo mit klar eingesetztem Tenor.

Die Zuschauer reagierten mit rauschendem Beifall, hätten aber die Hauptakteure noch deutlicher würdigen dürfen.

 Udo Klebes

 

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