Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/ Liederhalle: SWR Symphonieorchester mit Anna Vinnitskaja (Bartok, Brahms)

01.05.2021 | Konzert/Liederabende

 SWR Symphonieorchester mit Anna Vinnitskaja in der Stuttgarter Liederhalle

Explosiv und dynamisch

Stream: SWR Symphonieorchester am 30.4.2021 in der Liederhalle/STUTTGART

 Das Klavierkonzert Nr. 1 aus dem Jahre 1926 von Bela Bartok wird selten aufgeführt. Den bestürzend jungen Schwung macht die russische Pianistin Anna Vinnitskaja mit blendender Virtuosität deutlich. Begleitet vom SWR Symphonieorchester unter Antonello Manacorda finden Klang und Rhythmus rasch zusammen. Die erregende Klangepisode des ersten Satzes wird von einem Hörnermotiv dominiert, dessen Spannung sich hier bis zum Zerreissen verdichtet. Die Linien der weiteren Themen zeichnet Anna Vinnitskaja überaus treffsicher nach. Trotz der scharfen Schlagzeug-Attacken sind immer wieder impressionistische Sequenzen herauszuhören. Das Melodische kann sich nicht richtig entfalten – doch gerade die wild vorwärtspeitschende Durchführung erreicht dank Anna Vinnitskajas Spiel Siedegrade. Im zweiten Satz lösen sich die Intervalle in geheimnisvoller Weise aus fester umrissenen Bildungen. So gewinnt allmählich ein dämonisch-unheimlicher Dialog zwischen Klavier und Schlagzeug deutliche Kontur. Abwechslungsreich geht das abschließende Allegro mit dem Themenmaterial um. Die Akkordschläge des Rondothemas erfasst die Pianistin sehr souverän – und auch das von einem Hornthema beherrschte Zwischenspiel in den Flöten sticht reizvoll hervor. Tänzerisch-vitale Motive verdrängen wirkungsvoll dieses klangliche Geschehen. Und aus dem Klavierbass steigt das vertrackte Rondothema äusserst vital auf und stürmt voran bis zum tubulenten Schluss.

Zügige Tempi wendet der Dirigent Antonello Manacorda bei der vierten Sinfonie in e-Moll op. 98 von Johannes Brahms an, wo thematische und harmonische Eigenheiten des Barock kunstvoll hervorblitzen. Man kann hier gut nachvollziehen, wie dieses  Thema in facettenhafter Weise aus der Terz herauswächst. Die Intervallschritte werden bei dieser forsch-opulenten Wiedergabe konsequent umgesetzt. Zarte Gegenstimmen schaffen dynamisch wirkungsvolle Kontraste. Kleine Bausteine wachsen hier zu einem imponierenden Thema zusammen. Das ritterlich stolze Seitenthema der  Holzbläser kann sich so machtvoll behaupten. Die Innigkeit der Cello-Melodie ist dann bemerkenswert. Mit leidenschaftlicher Energie behauptet sich schließlich die kraftvolle Coda. Der zweite Satz besticht bei dieser Wiedergabe durch seine träumerische Besinnlichkeit. Das Hornthema  wirkt ausgesprochen balladenhaft. Und auch die Cello-Melodie mit dem Seitenthema besitzt romantische Wärme. Ausgelassenheit beherrscht dann den dritten Allegro-giocoso-Satz mit seinem grimmig-lustigen Thema. Wie meisterhaft Brahms im Finale die Form der Sonate mit jener der Chaconne verbunden hat, lässt Antonello Manacorda mit dem SWR Symphonieorchester glänzend deutlich werden. In der Oberstimme, im Bass oder in den Mittelstimmen kehrt dieses Thema abwechslungsreich wieder. In den Bläsern gelingt der energische Aufstieg nach Dur. Besonders gelungen sind die feierlichen Klänge der Posaunen mit ihrer stählernen Intonationsreinheit. Die Struktur der Passacaglia wirkt keineswegs überzeichnet, sondern bleibt immer in einer ausgewogenen klanglichen Balance, die gelegentlich sogar noch stärker betont werden könnte.

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken