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STUTTGART/Liederhalle: SWR-SINFONIEORCHESTER / Teodor Currentzis (Strauss/ Mahler)

15.02.2020 | Konzert/Liederabende

SWR Symphonieorchester unter Teodor Currentzis am 14. Februar 2020 in Liederhalle/STUTTGART

VERINNERLICHT UND FEURIG

Zum Glück hat sich Richard Strauss immer wieder für die Musik Gustav Mahlers eingesetzt, die es zu dessen Lebzeiten beim Publikum oft schwer hatte. Teodor Currentzis hat jetzt beiden Komponisten ein grandioses Denkmal gesetzt. Bei der Tondichtung „Tod und Verklärung“ op. 24 von Richard Strauss wird ein Mensch ganz real von Fieber geschüttelt, das Ringen mit der schweren Krankheit führt zu einem Todeskampf mit anschließender Erlösung. Das SWR Symphonieorchester folgte den Intentionen dieses außergewöhnlichen Dirigenten sehr minuziös und detailliert. Dumpf begann dieses Werk, alles löste sich harmonisch wie aus einem ungeheuren Nebel – und eine sphärenhafte Flötenfigur über Harfenklängen entführte den Zuhörer in überirdische Gefilde. Immer klarer zeichnete die Solovioline dann das Erinnerungsbild nach. Wie ein scharfer Blitz fuhren tonale Explosionen dazwischen, die aber wiederum zu majestätischen Erlösungsklängen führten. Jugendbilder weckten strahlende Erinnerungen, das energische Tonsymbol verkündete die Energie  des Mannes im Lebenskampf. Fiebervisionen und Krankheitsqualen wurden hier vom SWR Symphonieorchester unter Currentzis mit glühender Intensität beschworen, die sich in weitgespannten dynamischen Kontrasten immer mehr steigerte. Dumpf und geisterhaft dröhnte schließlich das Tamtam in die endlose Leere. Aus dunkler Urtiefe richtete sich ganz langsam das Erlösungsthema auf, dessen hymnischer Strom das Publikum zu Begeisterungsstürmen animierte. Der unbeschreibliche Zauber dieser Verklärungsmusik wurde unter der einfühlsamen Leitung von Teodor Currentzis packend beschworen.

Anschließend folgte eine überaus mitreissende Wiedergabe der Sinfonie Nr. 1 D-Dur mit dem Beinamen „Der Titan“ von Gustav Mahler. Aus zarten Naturlauten und behutsamen Fanfaren von Weckrufen ließ das SWR Symphonieorchester unter Currentzis die ungeheure Klangvision des erwachenden Morgens entstehen. Hornweisen und dunkel empordrängende Bassmotive wurden hier mit großer Sensibilität herausgearbeitet. Wie ein frohes Wanderlied entfaltete sich dann das Lied „Ging heut‘ morgen übers Feld“. Alles Vorhergehende zielte auf dieses Liedthema hin, was bei dieser Wiedergabe eindringlich unterstrichen wurde. Neue Naturstimmen und liednahe Gegenmelodien zeigten üppigen Klangfarbenreichtum. Aus dem mystischen Zwielicht hoben die Hörner eine heitere Wandermelodie empor – und aus den Gegenmotiven löste sich das facettenreiche zweite Thema.  Teodor Currentzis zeichnete mit dem konzentriert agierenden Orchester das reiche motivische Stimmengeflecht in hervorragender Weise nach. Viele Passagen erhielten so ein ganz neues Gewicht. Leise brachte sich das Hauptthema in Erinnerung. Als tanzfrohes Scherzo kam der zweite Satz daher, dessen rhythmisches Muster von Currentzis nuancenreich nachgezeichnet wurde. Vor allem der aufstampfende Rhythmus der Ländlermelodie faszinierte mit erstaunlicher Modernität. Dumpf wie ein Trauerkondukt erschien dann der dritte Satz mit der Volksliedmelodie „Bruder Jakob“ – die Beziehungen zum Hauptthema des ersten Satzes blieben spürbar. Fetzen böhmischer Melodien huschten fast gespenstisch vorüber. Etwas Unwirkliches lag bei dieser Interpretation auch über dem Mittelteil. Hier wurde plötzlich ein Traum von traurigem Glück Wirklichkeit. Und im Finale wurde aus Motivteilen allmählich das Hauptthema geboren. Da bewies Teodor Currentzis mit dem SWR Symphonieorchester sein großes analytisches Talent. Vor allem die hitzige Durchführung überzeugte bei dieser bewegenden Wiedergabe. Das zweite Thema wurde in den Violinen in lodernder Erregung betont. Die ernste und erregte Auseinandersetzung mit dem ersten Thema war ein weiterer Höhepunkt dieser exzellenten Interpretation. Themen und Fanfaren des ersten Satzes führten zuletzt zu einem unbeschreiblich befreiten Jubel. Vor allem die Bläser steigerten sich hinsichtlich Intonation und Ausdruckskraft ganz enorm.

Große Ovationen.

Alexander Walther

 

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