Konzert mit dem SWR Symphonieorchester unter Teodor Currentzis am 10.9.2021 in der Liederhalle/STUTTGART
Erstaunliche Steigerungen
Mit einem vom Publikum begeistert gefeierten Live-Konzert hat die neue Saison nach einer Corona-Zwangspause wieder begonnen. Das dritte Klavierkonzert in C-Dur op. 26 gilt als das beliebteste von Sergej Prokofieffs Konzerten. Und die russische Pianistin Yulianna Avdeeva erfasste die harmonischen Spitzfindigkeiten dieses zwischen 1917 und 1921 entstandenen Werkes ausgezeichnet. Sie wurde dabei vom SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Teodor Currentzis mit erstaunlicher Durchsichtigkeit begleitet. Die liedhafte Lyrik und auch die stählernen Passagen leuchteten ausgesprochen strahlkräftig hervor. Vor allem die rhythmische Motorik blitzte hier bravourös auf. Sehr zurückhaltend wurde der Andante-Beginn mit dem singenden Klarinettenthema interpretiert – und der vorwärtsstürmende Hauptgedanke besaß eine große Energie, die erst allmählich nachließ. Das zweite Thema war sehr markant in den Oboen erkennbar – und die effektvolle Entwicklung gipfelte in erstaunlichen dynamischen Steigerungen, die Klavier und Orchester gleichermaßen mitreissend erfassten. Nach der Reprise konnte sich die Coda um so majestätischer durchsetzen. Die kontrastreichen Variationen des zweiten Satzes mit dem prägnanten Marschthema prägten sich ebenfalls tief ein. Vor allem die stimmungsvollen Meditationen der langsamen vierten Variation besaßen in der subtilen Wiedergabe durch Yulianna Avdeeva etwas Magisches, Undurchdringliches. Die Rondo-Form des dritten Satzes wurde von den Interpreten hervorragend erfasst. Das höchst virtuose Fagott-Thema inspirierte die Solistin zu einem höchst glanzvollen Spiel mit äusserster Kraftentfaltung. Träumerisch wirkte dabei der Mittelteil in der höchst konzentrierten Wiedergabe von Yulianna Avdeeva, die diesen Impressionen immer wieder einen magischen klanglichen Rausch verlieh. Als Zugabe interpretierte sie noch ein Stück von Chopin – mit sehr eigenwilliger Rhythmik und intensiver melodischer Entwicklung. Doch ihr Klavierspiel war hier nicht ganz so überzeugend wie bei Prokofieff. Höhepunkt des Konzertabends war dann die mit Feuer und Elan musizierte fünfte Sinfonie in B-Dur op. 100 von Sergej Prokofieff, wo sich das liedhafte Thema des ersten Satzes mit bemerkenswerter Intensität entfalten konnte. Den heroischen Charakter verleugnete Currentzis als Dirigent nicht. Flöten und Oboen hellten die Stimmung beim zweiten Thema merklich auf. Der lyrische Charakter leuchtete facettenreich hervor – und die kräftigen Gedanken gipfelten in einer fulminanten Exposition. Nach dem ersten und dritten Thema in der Durchführung glänzte das Kopfthema nochmals in der Coda. Klarinette und Oboe spielten im zweiten Satz mit seinen Jazz-Assoziationen in rasender Geschwindigkeit um die Wette. Diese fabelhafte Kette von Variationen offenbarte eine graziöse Virtuosität, wobei Teodor Currentzis das Orchester in elektrisierender Weise anspornte. Das bekenntnishafte Adagio war bei dieser Wiedergabe von wahrhaft ergreifender Wirkung. Das Thema entwickelte sich eindrucksvoll in Tuba und Streicherharmonien. Diese lyrische Glut ließ sogar an Tschaikowsky denken. Im vierten Satz kam es zu Reminiszenzen an den ersten Satz, wobei sich das Klarinettenthema in reizvoller Weise durchsetzte. Die ekstatischen Steigerungen mündeten in einen geradezu orgiastischen Abschluss. Als Zugabe war dann noch ein eindringlich musizierter Ausschnitt aus Prokofieffs Ballettmusik zu „Romeo und Julia“ zu hören, der das Publikum fesselte.
Alexander Walther