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STUTTGART/ Liederhalle: KONZERT DES RADIO-SINFONIE-ORCHESTERS STUTTGART mit Frank Peter Zimmermann (Violine))

25.06.2016 | Konzert/Liederabende

Konzert des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR mit Frank-Peter Zimmermann

EXPLOSIV UND VIRTUOS

Konzert des RSO Stuttgart mit dem Geiger Frank Peter Zimmermann am 24. Juni 2016 in der Liederhalle/STUTTGART

Von Richard Strauss ist der Komponist Detlev Glanert offensichtlich beeinflusst, dies macht sein Orchesterstück „Frenesia“ jedenfalls deutlich, das das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter der Leitung von Stephane Deneve mit höchster Konzentration präsentierte. Sprungkraft und Eleganz sind hier im Orchestersatz auszumachen. „Frenesia“ ist das italienische Wort für „Hektik“ – etwas Frenetisches wird hier aber auch entzündet, alles explodiert in tausend Farben. Die geballte Energie ist auch bei den Glissando-Passagen nicht mehr aufzuhalten. Eine heroische Anfangsgeste nimmt den Zuhörer sofort stark gefangen, lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Alles stürmt aufwärts. Romantisches Heroentum ist immer zu spüren. „Frenesia“ soll auch das stimmungsvolle Porträt eines heutigen Menschen sein, tiefe Bläser leiten die triolisch sich emporschwingende Anfangsgeste in stürmischer Weise ein. Ein sphärenhaftes Adagio beschwört dann triolische Phrasen mit zarten Solo-Passagen der Flöte und Oboe. Der kraftvolle Schlussakkord in strahlendem Dur-Sforzato hat es in sich. „Frenesia“ ist dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam gewidmet. Stephane Deneve musizierte dieses Werk mit dem exzellent spielenden Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR sehr aufwühlend und detailgenau. Der Ausnahmegeiger Frank Peter Zimmermann bot danach mit dem RSO Stuttgart unter Deneve eine wirklich hinreißende Wiedergabe von Peter Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35, das von dem Wiener Kritikerpapst Eduard Hanslick einst nicht verstanden wurde, der meinte, dies sei womöglich Musik, „die man stinken hört“. Die virtuos-brillante Einkleidung wurde von Zimmermann in atemberaubender Weise erfasst, auch die rassigen Züge entfalteten ein enormes Tempo. Dem Publikum wurde dabei fast schwindelig. Nicht sentimental wurde auch die mondäne Aura des Salons nachgezeichnet. Frank Peter Zimmermann schwelgte geradezu in überschäumenden Temperamentsausbrüchen. So konnte man den vielfach wechselnden Stimmungsverlauf des ersten Satzes fabelhaft nachvollziehen, der um das Thema kreiste. Mit künstlerischer Verve wurde es immer neu beleuchtet und konnte sich mit einprägsamen Seitenthemen messen. Die Sehnsuchtsmelodie spielte jedenfalls die Hauptrolle, wobei das Orchester als dezenter Begleiter agierte. Beruhigung brachte der zweite Satz. Diese Andante-Canzonetta mit der träumerisch-schwermütigen Melodie prägte sich stark ein. Die reich variierten Themen des Finales brachten funkelnde Farben in die tanzfrohen russischen Melodien. Eine grandiose Schluss-Stretta folgte, die dem „Teufelsgeiger“ Zimmermann Ovationen des Publikums einbrachte. Als Zugabe überraschte er noch mit einem expressiven Stück von Rachmaninow – einer Transkription eines Klavierstücks für Geige (Etudes-Tableaux op. 39). Der Leitmotivtechnik von Sergej Prokofjews Ballett „Romeo und Julia“ lauschte Stephane Deneve mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR ebenfalls sehr überzeugend nach. Auch die psychologischen Momente dieses raffinierten Tanzdramas wurden bei der fulminanten Wiedergabe vor allem von den schweren Blechbläsern bestens erfasst. Rhythmisch-metrisch wirkte hier alles wie aus einem Guss, neben alten Tanzformen wie Menuett oder Gavotte geriet die tonale Harmonik in dissonante Turbulenzen, die an unmittelbarer Heftigkeit immer mehr zunahmen. Und die lyrischen Momente vernachlässigte das Ensemble auch nicht. Ausgesprochen farbig wirkte hier die harmonische Gestaltung. Der Rhythmus war kühn, russische Melismatik setzte sich souverän durch. Rauschhafter Taumel weckte immer wieder tänzerische Elemente. Neben den grotesk-fantastischen begeisterten bei dieser Wiedergabe vor allem die träumerischen Episoden – so etwa bei der „Balkonszene“ oder „Romeo am Grabe Julias“.     

Alexander Walther

 

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